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Mathematik statt Rechnen

Prof. Rudolf Taschner im Portrait

Prof. Rudolf Taschner

Prof. Rudolf Taschner

Prof. Rudolf Taschner

Rudolf Taschner ist Mathematiker. Und er ist Geschichtenerzähler. Mühelos wechselt er im Gespräch von der Zahlentheorie zur Philosophie, von der Geometrie zur Astronomie oder zur Quantenphysik. Es scheint kaum ein Thema zu geben, über das er nicht Spannendes zu sagen hat – und immer kreisen seine Geschichte um seine zentrale Leidenschaft: Die Mathematik und die spannenden Dinge, die man mit ihr anstellen kann.

Mathematik für alle
Bekannt wurde Rudolf Taschner hauptsächlich durch seine Bücher, die seit Jahren immer wieder ganz vorne auf den Bestsellerlisten zu finden sind, und durch seine allgemeinverständlichen Vorträge, insbesondere im "math.space" im Wiener Museumsquartier. An der TU Wien lehrt Taschner Analysis und forscht an intuitionistischer Mathematik.

Aus vielen Jahren wissenschaftlicher Arbeit weiß Rudolf Taschner ganz genau, dass Forschung meist in vielen kleinen mühsamen Schritten vorangetrieben wird. Zweifellos ist diese Art des Arbeitens wichtig – doch Taschner legt großen Wert darauf gleichzeitig auch das große Ganze im Blick zu haben, die großen, entscheidenden Entwicklungen der Wissenschaft zu verstehen und die Zusammenhänge zwischen den Wissenschaften erkennen zu können. "Ich will mich nicht nur mit den kleinen Epsilons herumschlagen, sondern lieber auch über die großen Omegas erzählen, an denen andere Leute gearbeitet haben", sagt er.

Von 1971 bis 1976 studierte Rudolf Taschner an der Universität Wien Mathematik und Physik, sein Studium schloss er mit einer Promotio sub auspiciis Praesidentis ab. Nach einem Forschungsaufenthalt in Stanford kehrte er nach Österreich zurück und arbeitet seither an der TU Wien.

Das Problem der Unendlichkeit
Sein eigenes Forschungsgebiet hat eine starke philosophische Komponente: Taschner beschäftigt sich mit der Frage, welche Art von Argumenten in der Mathematik erlaubt sein soll und welche nicht. Er arbeitet an der "intuitionistischen Mathematik", in der bei formalen Beweisen etwas strenger vorgegangen wird, als das heute allgemein üblich ist.

Speziell bezieht sich diese Strenge auf den Umgang mit Unendlichkeiten: Die axiomatischen Schule, zu der heute die allermeisten MathematikerInnen zählen, akzeptiert auch Beweisführungen, die eigentlich unendlich viele Arbeitsschritte beinhalten würden und daher praktisch nicht durchführbar sind. Taschner zählt sich zu den Anhängern der konstruktiven Analysis – er möchte bei solchen Beweisen mehr Vorsicht walten lassen.

"Über die Menge aller Siebener in den Nachkommastellen der Zahl Pi zu reden, ist sinnlos", erklärt Taschner. "Das ist eine unendlich große Menge, die niemals jemand wirklich zur Verfügung haben wird." Die Unendlichkeit hat für ihn bloß eine Bedeutung als  gedachte Obergrenze. Unendlich ist keine Zahl, mit der man rechnen kann.

Behindert sich die Mathematik nicht selbst, wenn sie sich im Umgang mit dem Unendlichen strengere Regeln auferlegt? "Nicht unbedingt", meint Taschner. "Man kommt auch mit dem konstruktivistischen Zugang sehr weit – und man kann sich mit Sicherheit darauf verlassen, sein Haus nicht auf Sand gebaut zu haben." Freilich: Die axiomatische Mathematik hat große Erfolge gebracht, bis hin zu technologischen Anwendungen. Das kann man durchaus als Argument dafür sehen, dass auch auf weniger rigide Weise hergeleitete Theoreme richtig sind. Gerade deshalb sollte man allerdings versuchen, sie auch auf intuitionistisch-konstruktive Weise zu beweisen, meint Taschner.

Math Space und Bücher
Gemeinsam mit seiner Frau gründete Rudolf Taschner den "math.space" im Wiener Museumsquartier. Über 30.000 Leute pro Jahr lernen dort in Vortragsreihen interessante neue Gedanken aus der Welt der Mathematik kennen. Die gewaltige Popularität des math space erscheint vielleicht überraschend, wenn man bedenkt, dass die Mathematik an den Schulen zu den unbeliebtesten Fächern gehört.

"Daran ist aber nicht die Mathematik schuld, sondern nur die Art, wie sie unterrichtet wird", sagt Taschner. "Astronomie ist höchst beliebt. Warum? Weil Astronomie kein Schulfach ist." Taschner ist davon überzeugt, dass man die Mathematik in ihrer Bedeutung als historisches Kulturgut vermitteln müsste. Das reine, technische Rechnen hat freilich auch seine Bedeutung – aber nicht für alle im selben Maß. "Man kann in der Schule auch nicht von allen verlangen, ein Musikinstrument zu lernen. Aber man kann versuchen, allen ein Gefühl für die Schönheit der Musik zu vermitteln", meint Taschner.

Wie schön und wie spannend Mathematik ist, vermittelt Rudolf Taschner nicht nur im math.space, sondern auch in einer ganzen Reihe von Büchern – mehrere von ihnen wurden zu Bestsellern. Außerdem engagiert er sich seit vielen Jahren für die Ausbildung von Lehramtsstudierenden. Es gibt also eine ganze Menge LehrerInnen, die von Rudolf Taschner an der TU Wien die Begeisterung für Mathematik und fürs mathematische Geschichtenerzählen beigebracht bekommen haben. Wenn diese Begeisterung von ihnen nun an die nächste Generation weitergegeben wird, kann es in Österreich mit der Mathematik eigentlich nur aufwärts gehen.