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Magnetismus in verbogenen Kristallstrukturen

Computersimulationen ermöglichen nicht nur einen Blick auf die Geometrie von atomaren Strukturen, sie erklären auch magnetische Materialeigenschaften.

Magnetische Kobalt-Oxidschicht (Kobalt: blau, Sauerstoff: rot) auf Iridium (grau). Die verschiedenen Blautöne zeigen die unterschiedliche Orientierung der magnetischen Momente.

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Magnetische Kobalt-Oxidschicht (Kobalt: blau, Sauerstoff: rot) auf Iridium (grau). Die verschiedenen Blautöne zeigen die unterschiedliche Orientierung der magnetischen Momente.

Magnetische Kobalt-Oxidschicht (Kobalt: blau, Sauerstoff: rot) auf Iridium (grau). Die verschiedenen Blautöne zeigen die unterschiedliche Orientierung der magnetischen Momente.

Kobalt-Oxid Wellenmuster auf Iridium (Kobalt: blau, Sauerstoff: rot)

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Kobalt-Oxid Wellenmuster auf Iridium (Kobalt: blau, Sauerstoff: rot)

Kobalt-Oxid Wellenmuster auf Iridium (Kobalt: blau, Sauerstoff: rot)

Das Autorenteam der Publikation: oben Florian Mittendorfer (l) und Raimund Podloucky(r), unten: Michael Weinert (l) und Josef Redinger (r).

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Das Autorenteam der Publikation: oben Florian Mittendorfer (l) und Raimund Podloucky(r), unten: Michael Weinert (l) und Josef Redinger (r).

Das Autorenteam der Publikation: oben Florian Mittendorfer (l) und Raimund Podloucky(r), unten: Michael Weinert (l) und Josef Redinger (r).

In einem Kristall ordnen sich Atome Schicht für Schicht in einem gleichmäßigen geometrischen Muster an. Bringt man an der Oberfläche allerdings eine magnetische Atomsorte auf, kann es zu spannenden Phänomenen kommen. An der TU Wien und der Universität Wien wird in Computersimulationen untersucht, welche Auswirkung die Geometrie der Atombindungen auf die Materialeigenschaften hat. Dadurch gelingt es, die magnetischen Eigenschaften von Materialien besser zu verstehen und vielleicht sogar gezielt zu steuern. Die neuen Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Physical Review Letters“ publiziert.

Wie ein verbogener Schlüssel in einem Schloss
Im Rahmen des FWF-Spezialforschungsbereichs „FOXSI“ (Functional Oxide Surfaces and Interfaces) untersuchte das Forschungsteam, bestehend aus Florian Mittendorfer und Josef Redinger vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien, Raimund Podloucky von der Universität Wien und Michael Weinert von der University of Wisconsin-Milwaukee ultradünne Kobalt-Oxid-Filme auf einem Untergrund aus Iridium. Geometrisch passen diese beiden Materialien nicht optimal zusammen: Die Iridium-Atome bilden eine quadratische Struktur, das Kobalt-Oxid hingegen ordnet sich ungefähr sechseckig an. Dazu kommt, dass auch die Größe dieser atomaren Vier- und Sechsecke nicht zusammenpasst: Die Kobalt-Oxid-Sechsecke werden in der einen Richtung auseinandergezerrt, in der anderen Richtung gestaucht, wenn sie sich an der Iridium-Oberfläche anlagern.

Verbogene Oberfläche
Dieser Verbiegungen im Kristallgitter haben weitreichende Konsequenzen: „Die Atome verschieben sich gegeneinander, sie bilden keine ebene Fläche mehr – die Atomschicht bildet Wellenmuster aus“, erklärt Florian Mittendorfer. Das Resultat ist eine hoch komplizierte geometrische Struktur: „Experimentell werden 59 Strukturparameter benötigt um die Geometrie der Oberfläche zu beschreiben“, sagt Mittendorfer, „das zeigt, wie komplex dieses System ist.“

Geometrie bestimmt die magnetischen Eigenschaften

Wie das Forschungsteam nun nachweisen konnte, hat die Geometrie auch einen ganz entscheidenden Einfluss auf die magnetischen Eigenschaften des Materials: Jedes Elektron im Material hat einen Spin – eine „magnetische Richtung“. Die magnetischen Eigenschaften des Materials entstehen dadurch, dass sich diese Spins auf geordnete Weise ausrichten. Durch Computerberechnungen lässt sich nun verstehen, wie die magnetische Ordnung der Kobalt-Atome von ihrer geometrischen Anordnung im Oxid abhängt.

„Im Experiment kann die magnetische Ordnung für solche komplizierten Systeme noch nicht auf atomaren Längenskalen entschlüsselt werden“, sagt Florian Mittendorfer. „Die geometrische Struktur hingegen lässt sich sehr exakt messen.“  Die Ergebnisse der Computerberechnungen stimmten ausgezeichnet mit den experimentellen Messungen der  geometrischen Struktur überein und liefern einen wichtigen Ausgangspunkt  für zukünftige  Messungen des magnetischen Verhaltens.

Wien als Zentrum für Quanten-Materialwissenschaft
Berechnet wurde die Atomstruktur mit Hilfe der Dichtefunktionaltheorie, einem sehr mächtigen Werkzeug der Quantenchemie, das oft zur Analyse atomarer Strukturen verwendet wird. Die Quanten-Materialforschungsgruppen der TU Wien und der Universität Wien können auf eine langjährige erfolgreiche Tradition in diesem Forschungsbereich zurückblicken: Wichtige Softwarepakete der Quantenchemie (etwa das „Vienna ab Initio Simulation Package“ (VASP), die in Wien entwickelt wurden, sind mittlerweile auf der ganzen Welt verbreitet.

„Wesentlich für die Lösung so aufwendiger Aufgaben ist natürlich auch die Computer-Rechenleistung“, sagt Florian Mittendorfer. „Wir konnten den Großrechner VSC2 verwenden, der uns auch bei diesem Projekt wieder wertvolle Dienste geleistet hat.“

Nähere Informationen:
Prof. Josef Redinger
Institut für Angewandte Physik
Technische Universität Wien
Gusshausstraße 25
T: +43-1-58801-15832
<link>josef.redinger@tuwien.ac.at