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In sechs Semestern zum Dipl.-Ing. - Ladan Naemi, Software-Entwicklerin

In Teheran geboren, mathematisch begabt, eine Übersiedlung nach Österreich und trotzdem eine sensationelle Karriere. Ein Porträt der Software Entwicklerin Ladan Naemi.

Ladan Naemi (c) IVM Technical Consultants

Hoch gerechnet

Software-Entwicklerinnen sind selten. Wenn es sie gibt, begegnet man(n) ihnen mit viel Skepsis. Sind sie auch noch Einwanderinnen, wird ihre Fachkompetenz schnell einmal unterschätzt. Nicht so bei Ladan Naemi aus Iran-Teheran. „Wenn ein Kunde seine Anforderungen definiert und ich ihm zwei Tage später meine bunte Software nach Maß präsentiere, schlägt die Skepsis rasch um in Hochachtung“, schildert die bei dem Technologie-Dienstleister IVM beschäftigte Fachfrau ihre Erfahrung.  „Plötzlich schaut er mich so respektvoll an und traut sich nicht mehr, die Maus zu bewegen.“ Diese Augenblicke seien fast die schönsten, so Naemi. „Wenn ich gut bin, dann ist meine Arbeit anerkannt. Das gilt aber nicht nur für Österreich“, weiß die eingewanderte und erfolgreiche Technikerin.

Qualifikation allein reicht nicht

Bei dem Erfolg von Ladan Naemi handelt es sich um einen schwer errungenen. Dahinter stecken Begabung, hervorragende Leistungen, eine Übersiedlung von Iran-Teheran nach Österreich. Das Umfeld für Einwanderinnen ist kein einfaches. Qualifikation ist kein Garant für einen Arbeitsplatz – und nicht erst seit der Finanzkrise. Für qualifizierte Einwanderinnen sind die Jobchancen um ein Vielfaches schlechter als für Österreicherinnen. Der Standard berichtet am 21. Februar, dass fast die Hälfte der im Ausland geborenen AkademikerInnen für ihren Beruf überqualifiziert sind, bei gebürtigen ÖstereicherInnen liege dieser Anteil bei weniger als einem Drittel. Laut Arbeitskräfteerhebungen seien ein Viertel der ZuwandererInnen mit Uni-Abschluss und davon wiederum mehr Frauen mit Hilfs- und Anlerntätigkeiten beschäftigt; bei ÖsterreicherInnen seien es gerade zwei Prozent. Nicht alle Unternehmen sind so aufgeschlossen in Sachen „Diversity Management“ wie der Arbeitgeber von Ladan Naemi. Das Engineering-Unternehmen „IVM Technical Consultants“ mit den vier Standorten Wien, Graz, Linz und Salzburg hat sich auf die Lösung vielseitiger technischer Fragestellungen im Bereich der Industrie spezialisiert. Zu den Aufgaben von IVM gehört unter anderem die Entwicklung von Software für Computer-Chips. Lange vor der Finanz- und Wirtschaftskrise hat IVM erkannt, dass exzellente technische Expertinnen und Experten rar sind. Deshalb brauche die Industrie dringend qualifizierte Fachkräfte wie Ladan Naemi.

Kulturelle Hürden

Kulturelle und geschlechtsspezifische Unterschiede führen aufgrund bestimmter Vorstellungen in den Köpfen der Menschen zur Chancenungleichheit im Berufsleben. Das Zentrum für soziale Innovation untersuchte die Arbeitswelt von MigrantInnen. Schon „ein Hauch von Akzent“ könne Berufschancen von vornherein einschränken. Diskriminierungstests von Schweden über Frankreich bis Italien hätten gezeigt, dass 40 bis 50 Prozent aller Arbeitgeber das Interesse an BewerberInnen mit ausländisch klingenden Namen verlieren. Die Situation in Österreich sei ähnlich. Bewegt sich eine Einwanderin noch dazu auf unüblichem Terrain, wie etwa im technischen Bereich, dann sind die Hürden im Berufsleben noch vielschichtiger. Ladan Naemi habe diesbezüglich „zum Glück keine schlechten Erfahrungen gemacht“. Sie berichtet aber von Freundinnen, die trotz ausgezeichneter Studienabschlüsse keine Arbeit in Österreich gefunden hätten. Sie kenne Informatikerinnen, die nach langer Arbeitslosigkeit nach Amerika auswandern mussten, um eine attraktive Arbeitsstelle zu bekommen. Sogar Persien könne derzeit mit dem österreichischen Arbeitsmarkt für InformatikerInnen mithalten, so die Software Entwicklerin.

Frau in Männerdomäne

Ladan Naemi kommt aus gutbürgerlichen Verhältnissen und scheiterte nicht am „sozialen Hintergrund“, sie spricht mehrere Sprachen und ihre Qualifikationen sind anerkannt. Dennoch muss sie ihr Können eher unter Beweis stellen, als männliche Kollegen. Als Software Entwicklerin arbeitet sie in einer reinen Männerdomäne. „Ich habe bis jetzt nie eine Arbeitskollegin gehabt.“ Sie würde sich mehr Frauen in der Technik wünschen, denn sie stehen den Männern in ihrem Können in nichts nach. „Dort wo Wissenschaft und Intelligenz gefragt sind, arbeiten sie meistens konzentrierter und genauer. Sie schaffen neue Sichtweisen und Zugänge.“ Die Wirtschaft sollte auf das weibliche Potenzial nicht verzichten. Frauen hätten ein hohes Maß an logisch analytischem Denkvermögen, seien sozial kompetent und kommunikationsfähig. Technisch begabte Frauen sollten ihren Weg gehen und sich vor möglicher Diskriminierung nicht abschrecken lassen. Naemi führt vor Augen, dass Selbstbewusstsein, eine klare Kommunikation und Können die besten Strategien sind, um sich vor abwertenden Haltungen, wie etwa „attraktive Frauen haben kein Talent“ und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen. In den letzten Jahren hätte sich viel verändert. Die Software Entwicklerin berichtet von vorbildlichen Vorgesetzten. „Kollegen fanden einen kleinen Fehler in einer noch nicht ausgetesteten Software und wollten mich schlecht machen. Der Projektleiter spielte dabei nicht mit und fragte mich zuerst, was nicht stimmen würde.“
Wiedereinstieg gemanagt
Zurzeit ist Ladan Naemi damit beschäftigt, für einen Kunden eine interne Individual-Software um eine neue Funktion zu erweitern. Das Entwickeln von externen Programmen und das Implementieren von internen Projekten gehören zu ihren anspruchsvollen und zeitintensiven Aufgaben. Die Software Entwicklerin muss ihre Zeit gut einteilen, da sie mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie konfrontiert ist.
Seit sie Mutter ist, hat sich viel verändert. „Früher bin ich bis 20 Uhr in der Firma gesessen und wusste nicht einmal, dass ich Hunger habe. Jetzt schaue ich gegen 15 Uhr auf die Uhr und weiß, dass mein Junior auf mich wartet.“ Heute arbeitet Naemi wieder Vollzeit. IVM bietet ihr flexible Arbeitszeiten und so schafft sie es, Arbeits- und Kinderbetreuungszeiten aufeinander abzustimmen. Ihren Wiedereinstieg hatte sie gut vorbereitet. Um auf dem neuesten Stand der Entwicklungen zu sein erlernte sie mit der Unterstützung ihres Kollegen eine neue Programmiersprache.
„Ich hab mich schlau gemacht, halt so weit, wie eine junge Mutter mit einem fast zweijährigen Kind es schaffen konnte“, erzählt Naemi die das Erlernte gleich erfolgreich umsetzte. Sie entwickelte ein Tool, das am IVM Campus alle Seminare im Bereich Aus- und Weiterbildung verwaltet.

Jek, do, se, …

Zählen auf persisch. Der Werdegang von Ladan Naemi ist außergewöhnlich. Eigentlich wollte sie nach ihrem Studium in Teheran unbedingt nach Amerika auswandern. Sie war in Wien auf der Durchreise und wartete auf das Visum. Sie entschied sich schließlich für’s Bleiben, da sie beruflich und familiär in Wien bereits Fuß gefasst hatte. Naemi hatte bereits ein Mathematik-Studium mit dem Schwerpunkt Computerwissenschaften in Iran-Teheran abgeschlossen und mehrere Auszeichnungen in der Tasche, als sie sich an der TU Wien einschrieb. Das Informatik-Studium schloss sie in nur sechs Semestern ab. Schon während der Diplomarbeitsphase arbeitete sie bei der Firma Siemens. Damit war ein weiterer Grundstein für ihre Karriere als Software Entwicklerin gelegt. Sie hat an ihr Können immer geglaubt, auch wenn ihre Eltern sie lieber als Chirurgin sehen wollten und weniger als Mathematikerin. Aber von ihrer Mathematik-Lehrerin war sie sehr gefördert worden. Sie lächelt wissend, wenn sie von ihrem fünfjährigen Sohn spricht. Er konnte mit drei Jahren schon bis hundert zählen und jetzt mit fünf kann er vom Multiplizieren nicht genug kriegen. Sie selbst liebte als kleines Mädchen auch alles, was mit Zahlen zu tun hatte.

Naemi fördert die Hochbegabung ihres Sohnes und sie will ihm die entsprechende Bildung ermöglichen. So wie ihre Eltern es letztlich auch taten – wenn auch ein bisschen später. „Als mich die Professoren an der Uni in Teheran auszeichneten und mit Hochachtung begegneten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als stolz auf mich zu sein“, schmunzelt Naemi. „Früher bin ich bis 20 Uhr in der Firma gesessen und wusste nicht einmal, dass ich Hunger habe. Jetzt schaue ich gegen 15 Uhr auf die Uhr und weiß, dass mein Junior auf mich wartet.“

Link: http://www.ivm.at, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Quelle: Factory Woman, 3/09,  S. 5 und 6, Text: Gerlinde Knaus