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Forschung ohne Tierversuche

Mario Rothbauer von der TU Wien wurde vom Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ mit einem Herbert-Stiller-Förderpreis ausgezeichnet. In seinen Organchips werden menschliche Gewebe simuliert.

Mario Rothbauer mit seinem Organchip, auf dem menschliches Gewebe simuliert wird.

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Mario Rothbauer, mit Biochip

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Dr. Mario Rothbauer und Dr. Tamara Zietek (Ärzte gegen Tierversuche)

Foto: Foto-Digital-Studio Marcus Müller

Die Kosmetik-Entwicklung kommt mittlerweile ohne Tierversuche aus, in der medizinischen Forschung hingegen sind Tierversuche heute immer noch weit verbreitet. Zumindest in manchen Bereichen soll sich das künftig ändern – und die TU Wien leistet dafür einen wichtigen Beitrag: Dr. Mario Rothbauer forscht am Institut für Angewandte Synthesechemie in der CellChip Group, geleitet von Prof. Peter Ertl, an technologischen Alternativen zu Tierversuchen. Sein Forschungsprojekt „3D-Synovium-on-a-chip als Krankheitsmodell für rheumatoide Arthritis“ wird nun mit dem Herbert-Stiller-Förderpreis unterstützt, der mit 20.000 Euro dotiert ist.

„Tierversuche sind nicht nur ein ethisches Problem, sie haben auch wissenschaftliche Nachteile“, erklärt Mario Rothbauer. „Ein Medikament, das bei einer Maus wirkt, muss noch lange nicht die beste Lösung für einen Menschen sein – bei Kontergan zum Beispiel hat das Mausmodell versagt wie wir wissen“ Außerdem sind Tierversuche kaum exakt reproduzierbar. Kleine Veränderungen in der Haltung als auch der Behandlung der Tiere können große Auswirkungen auf die Endergebnisse haben. Daher wählt man an der TU Wien einen systematischeren Ansatz: Man kultiviert menschliche Gewebeproben, und kann sie dann in einem Biochip genau kontrollieren und untersuchen.

Organ-Simulation in Millimetergröße

„Unsere Vision ist es, menschliche Organe unter kontrollierten Bedingungen im Biochip zu simulieren und damit eine neue Art der Präzisionsmedizin zu schaffen“, sagt Mario Rothbauer. Im Biochip werden genau jene Gewebetypen eingebracht, die für eine bestimmte medizinische Fragestellung eine Rolle spielen. Wenige Quadratmillimeter dieser künstlichen Gewebe im Biochip reichen aus, um wichtige pharmazeutische und klinische Fragen beantworten zu können: Wie verändern sich diese Gewebe unter bestimmten physikalischen Bedingungen? Wie interagieren sie miteinander? Welche Botenstoffe tauschen sie untereinander aus und wie reagieren sie auf Medikamente, die im Biochip wohldosiert und punktgenau verabreicht werden können?

Über feine Röhrchen, die im Biochip eingebaut sind, können winzige Flüssigkeitsmengen zugeführt oder zwischen den Gewebetypen ausgetauscht werden – man spricht daher auch von „mikrofluidischen Biochips“.

Auf diese Weise kann man zuverlässige Daten erheben, die man bei einem Versuchstier gar nicht messen könnte. Außerdem muss man sich im Biochip nicht mit tierischen Zellen begnügen. Man kann menschliche Zellen verwenden, dadurch werden die Ergebnisse viel aussagekräftiger.

Völlig tierfreie Forschung

Mario Rothbauer geht davon aus, dass Tierversuche in vielen Bereichen bald nicht mehr nötig sein werden – alleine schon deshalb, weil die neuen Methoden bessere und kontrollierbarere Resultate liefern und noch dazu deutlich billiger sind als teure Versuchstierstallungen. Allerdings ist in diesem Bereich noch viel Forschung und technische Entwicklung nötig: „Wenn ein medizinisches Experiment ohne Tierversuche auskommt, bedeutet das noch lange nicht, dass dafür keine Tiere sterben“, sagt Rothbauer. „Oft werden im Experiment trotzdem Substanzen benötigt, die aus Tieren gewonnen wurden. Darum gehen wir an der CellChip Group  einen Schritt weiter: Wir wollen in unserem Projekt vollkommen tier-frei arbeiten – das bedeutet wir verzichten auf jede Art von tierischen Produkten wie Kälberserum, Ratten-Kollagene oder Hasenantikörper.“

Durch die Förderung des Vereins „Ärzte gegen Tierversuche“ kann Mario Rothbauer nun sein neues Projekt starten, in dem er spezielle Biochips zur Untersuchung von Gelenken entwickeln wird. Damit soll es möglich werden, im Labor nach besseren Medikamenten gegen Arthritis zu suchen.