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Die Wissenschaft der Strömungswirbel

Prof. Alfredo Soldati im Portrait: Der Fluidmechaniker wurde mit dem prestigeträchtigen „Premio Panetti Ferrari“ ausgezeichnet.

Prof. Alfredo Soldati

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Ein turbulenter Strom um kleine Tröpfchen herum

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Ein turbulenter Strom um kleine Tröpfchen herum

Ein turbulenter Strom um kleine Tröpfchen herum

Auf unserer Erde geht es meistens ziemlich turbulent zu, und das ist eine Herausforderung für die Wissenschaft. Die Bahnen von Planeten vorherzusagen, die im Vakuum des Weltraums still ihre Kreise ziehen, ist vergleichsweise einfach. Luftmassen, die sich mischen und unerwartete Wetteränderungen ergeben, Sirup, der sich mit Wasser mischt, Rauch, der in der kalten Luft aufsteigt und bizarre Kräusel bildet – solche Phänomene sind viel schwieriger zu berechnen.

All diese Phänomene haben mit turbulenten Strömungen zu tun, und damit beschäftig sich Prof. Alfredo Soldati vom Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung. Für seine langjährige Forschungsarbeit wurde er von der Akademie der Wissenschaften in Turin mit dem „Premio Panetti Frerrari“ ausgezeichnet, der alle zwei Jahre für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Strömungsmechanik vergeben wird.

Von der Industrie bis zur Klimaforschung
Als „turbulent“ bezeichnet man eine Strömung dann, wenn sie Verwirbelungen zeigt, die oft auf unterschiedlichen Größenskalen gleichzeitig auftreten. Der Fluss unseres Blutes durch die Adern ist nicht turbulent – alle Partikel in unserem Blut bewegen sich ungefähr parallel, ohne erkennbare Verwirbelungen, sonst würde unser Kreislauf nicht funktionieren. Doch solche Strömungen sind eher die Ausnahme. In der Natur, aber auch in der Industrie oder in Verbrennungsmotoren hat man es oft mit Wirbeln und turbulenten Strömungen zu tun. Mathematisch sind diese turbulenten Strömungen nur mit großem Aufwand zu beschreiben: „Es gibt dafür keine einfachen Formeln“, sagt Alfredo Soldati. „Wir benötigen große, leistungsfähige Supercomputer, um komplizierte Strömungen zu berechnen – beispielsweise den VSC hier an der TU Wien.“

In erster Linie interessiert sich Alfredo Soldati für turbulente Mehrphasenströmungen – also Strömungen, bei denen sich verschiedene Substanzen mischen. Dabei kann es sich um unterschiedliche Flüssigkeiten handeln, oder auch um kleine Partikel, die in einer Flüssigkeit mittransportiert werden.

„Solche turbulenten Mehrphasenströmungen treten beispielsweise im Meer auf, wo sich Plankton in der Meeresströmung bewegt“, erklärt Alfredo Soldati. Diese Planktonbewegungen zu verstehen, ist für die Klimaforschung sehr wichtig: Das Plankton nimmt im oberflächennahen Bereich CO2 auf und transportiert es in tiefere Ozeanschichten. „Langfristige Klimamodelle müssen diese Bewegungen korrekt berücksichtigen. Dafür braucht man grundlegende Strömungsparameter, die wir mit unseren Berechnungen ermitteln“, sagt Soldati. Turbulente Mehrphasenströmungen spielen aber auch in der Industrie eine wichtige Rolle, etwa in großen Verbrennungsanlagen.

Neben den großen Computersimulationen, an denen Alfredo Soldati mit seinem Team arbeitet, sind in der Fluidmechanik auch Experimente unverzichtbar. Derzeit arbeitet Soldati daran, eine Versuchsanlage am TU-Standort Arsenal aufzubauen. In einem zwölf Meter langen Messkanal wird dort Wasser fließen, in dem sich kleine Kunststoffpartikel befinden. Mit Laserstrahlen und Spezialkameras wird die Strömung genau vermessen, um die Ergebnisse mit den Computermodellen vergleichen zu können.

„Eine besondere Herausforderung ist, dass wir uns dabei mit anisotropen Partikeln befassen“, sagt Alfredo Soldati. „Die Partikel sind also nicht einfach nur kleine Kügelchen, die von jeder Seite gleich aussehen, sondern man muss auch ihre Rotationsrichtung berücksichtigen. Das macht die Sache komplizierter, aber viel aussagekräftiger. Denn in der Praxis hat man es nun einmal fast immer mit anisotropen Partikeln zu tun.“

Alfredo Soldati
Alfredo Soldati stammt aus Italien. Er studierte an der Universität Pisa, wo er 1993 auch seine Dissertation abschloss. Im Lauf seiner Forschungskarriere lernte er eine ganze Reihe verschiedener Universitäten kennen: Er war zunächst Forschungsassistent an der University of California in Santa Barbara (USA), dann Assistenzprofessor und später Univ. Professor in Udine. Es folgten eingeladene Professuren in Lausanne (Schweiz), Toulouse (Frankreich), und Pisa (Italien). 2016 schließlich wurde er als Professor für Fluidmechanik an die TU Wien berufen.

Alfredo Soldati konnte sich bereits über eine ganze Reihe von Preisen und Auszeichnungen freuen, etwa über den Lewis F. Moody Award und den Robert T. Knapp Award (beides von der American Society of Mechanical Engineers). Er ist Fellow der American Physical Society und hatte verschiedene verantwortungsvolle Positionen in internationalen Forschungsgesellschaften inne. Nun wurde er mit dem „Premio Panetti Ferrari 2018“ ausgezeichnet – einem Preis, den die Accademia delle Scienze in Turin alle zwei Jahre an Forscherinnen und Forscher vergibt, die in den letzten zehn Jahren besonders bedeutsame Beiträge auf dem Gebiet der angewandten Mechanik geleistet haben.