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Die versteckte Waffe der Bäume zur Bildung von Wolken

Forschende des Instituts für Materialchemie haben im Rahmen des internationalen CLOUD-Projekts am Kernforschungszentrum CERN die geheime Waffe der Bäume zur Bildung von Wolken entdeckt: Sogenannte Sesquiterpene – gasförmige Kohlenwasserstoffe, die von Pflanzen emittiert werden, zum Beispiel vermehrt unter Stress wie Trockenheit oder Schädlingsbefall. Die Erkenntnisse könnte helfen, die Unsicherheiten von Klimamodellen zu reduzieren und präzisere Vorhersagen zu treffen. Die Studie erschien im renommierten Fachmagazin Science Advances.

Foto von Bäumen im Nebel

1,4 bis 4,4 Grad Celsius globale Klimaerwärmung bis 2100 im Vergleich zur vorindustriellen Zeit– so lautet die aktuelle Prognose des Weltklimarates IPCC. Diese Aussagen sind jedoch mit Unsicherheiten behaftet: So könnte der Temperaturanstieg im ungünstigsten Fall mit weiterhin stark ansteigenden Emissionen anstatt bei 4,4 Grad auch nur bei 3,3 oder aber sogar bei 5,7 Grad Celsius liegen.

Diese Unsicherheiten liegen im Wesentlichen daran, dass die Wissenschaft noch nicht alle Vorgänge in der Atmosphäre – das Zusammenspiel der verschiedenen in ihr enthaltenen Gase und Schwebstoffe – im Detail verstanden hat. Vor allem, wie sich die Bedeckung mit Wolken in Zukunft entwickeln wird, bleibt bislang noch weitgehend nebulös. Sie ist jedoch ein wesentlicher Faktor für das Klima, da mehr Wolken mehr Sonnenstrahlung reflektieren und dadurch einen kühlenden Effekt auf die Erdoberfläche haben.

Um die Wassertröpfchen, aus denen Wolken bestehen, zu bilden, braucht Wasserdampf feste oder flüssige Partikel, an denen er kondensieren kann, sogenannte Kondensationskeime. Das sind verschiedenste Aerosole, winzig kleine Schwebeteilchen mit einem Durchmesser zwischen 0,1 und 10 Mikrometern. Mehr als die Hälfte der Kondensationskeime entsteht erst in der Luft, indem sich verschiedene gasförmige Teilchen verbinden und dabei in den festen Aggregatzustand übergehen, sogenannte „Partikelneubildung“. Diese Partikel sind zu Anfang noch winzig, kaum grösser als ein paar Nanometer, können mit der Zeit aber weitere Gasteilchen anlagern und soweit wachsen, dass sie Wolkenkeime werden können.

Klimagase, die man riechen kann

Zu den wichtigsten natürlichen Gasen, die bei diesem Prozess eine Rolle spielen, gehören Kohlenwasserstoffe, die vor allem von Bäumen und Sträuchern freigesetzt werden. Sie sind wesentliche Bestandteile der ätherischen Öle, die wir riechen, wenn zum Beispiel Gras geschnitten wird oder wir im Wald spazieren gehen. Wenn diese Substanzen in der Luft oxidieren, also mit Sauerstoff reagieren, bilden sie Aerosole.

Wenn Pflanzen unter Stress stehen, ändert sich die Zusammensetzung ihrer Emissionen: Sie stoßen häufig mehr Sesquiterpene aus. Diese Klasse von Kohlenwasserstoffen standen bislang noch nicht im Fokus der Forschung. „Das liegt daran, dass sie recht schwer zu messen sind“, erklärt Dominik Stolzenburg vom Institut für Materialchemie, der federführend an der Studie beteiligt war. „Zum einen, weil sie sehr schnell mit Ozon reagieren, und zum anderen, weil sie viel seltener vorkommen als die anderen Kohlenwasserstoffe, die von Pflanzen ausgestoßen werden“. Während pro Jahr rund 91 Millionen Tonnen der besser erforschten Monoterpene in die Luft gelangen, kommen Sesquiterpene nur auf 24 Millionen Tonnen. Dennoch – das hat die neue Studie, deren Zweitautor Stolzenburg ist, ergeben – spielen sie bei der Wolkenbildung eine wichtige Rolle. Denn sie bilden laut den Messungen bei gleicher Konzentration zehnmal mehr Aerosolpartikel als die Monoterpene.

Um das herauszufinden, hat Stolzenburg mit ihren Kooperationspartnern die einzigartige CLOUD-Kammer am Kernforschungszentrum CERN genutzt. Dabei handelt es sich um einen abgeschotteten Raum zur Simulation verschiedener atmosphärischer Bedingungen. Die Kammer ist mit fast 30m3 sehr groß und ermöglicht so die Untersuchung der Partikelbildung auch von Substanzen mit sehr geringen Konzentrationen, wie eben die Sesquiterpene. Außerdem bestehen die Wände aus elektropoliertem Edelstahl, der Verunreinigungen verhindert. So können die Forschenden sicherstellen, dass keinerlei Fremdstoffe das Ergebnis verzerren, wenn sie nur den Effekt der Terpene analysieren wollen.

Die Studie offenbart so einen weiteren Faktor, mit dem Vegetation – insbesondere Bäume und Sträucher – Wetter und Klima beeinflussen. Vor allem aber schlagen die Forschenden aufgrund ihrer Ergebnisse vor, neben Monoterpenen künftig auch die Sesquiterpene als eigenen Faktor in die Klimamodelle aufzunehmen, um die Prognosen zu präzisieren. Zumal mit der erwarteten weiteren Abnahme der anthropogenen Emissionen wie Schwefeldioxid und gleichzeitig steigenden biogenen Emissionen infolge von Klimastress die Rolle letzterer für das Klima der Zukunft immer wichtiger werden dürfte.


Link zur Studie:
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adi5297, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
 

Link zu den ORF News:

https://science.orf.at/stories/3221293/, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster