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Die Kletterkünste unserer Vorfahren

Wie lange sind unsere prähistorischen Vorfahren auf Bäumen herumgeklettert? Knochendichte-Analysen der TU Wien liefern interessante neue Daten.

3D-gescannte Knochen

3D-gescannte Knochen

3D-Renderings der Knochen: Links der Australopithecus africanus, rechts der Paranthropus. (Bild: University of Kent)

Wenn man Knochen von Frühmenschen findet, lässt sich aus ihnen einiges über ihren Körperbau ableiten. Aber wie haben sie gelebt und wie haben sie sich bewegt? Auf diese Fragen werfen nun aktuelle Ergebnisse, an denen die TU Wien mitgewirkt hat, ein neues Licht: Knochendichteanalysen geben Auskunft darüber, wie die Knochen beansprucht worden sind. Das lässt Rückschlüsse darauf zu, ob unsere Vorfahren auf Bäumen gelebt haben oder eher zweibeinig auf dem Boden herumgelaufen sind. Geleitet wurde die Studie von der Universität Kent, die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „PNAS“ publiziert.

Zwei alte Verwandte und ihre Knochen

Untersucht wurden zwei Frühmenschen, die man vor mehr als 60 Jahren in Südafrika gefunden hatte: Ein Australopithecus africanus, der vor über zwei Millionen Jahren lebte, und Paranthropus robustus, dessen Alter auf etwa 1,5 Millionen Jahre geschätzt wird.

„Beide konnten auf zwei Beinen gehen – das sehen wir an der Form der Oberschenkelknochen, und zwar am Ende des Knochens, der Teil des Hüftgelenks ist“, erklärt Dieter Pahr vom Institut für Leichtbau und Struktur-Biomechanik der TU Wien. Eine andere Frage ist, wie stark sie von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben. Dafür braucht man spezielle auf der TU Wien entwickelte Untersuchungsmethoden basierend auf 3D Knochenscans.

„Wenn auf einen Knochen über lange Zeit immer wieder eine Kraft wirkt, dann ändert sich dort auch die Knochendichte“, sagt Dieter Pahr. Kleine Balken aus Knochengewebe, die sogenannten Trabekel, können sich das ganze Leben hindurch je nach Belastung umbauen. Knochenscans mittels CT machen diese Veränderung sichtbar.

Das Forschungsteam verglich die Knochen der beiden Frühmenschen mit Knochen von Schimpansen, Bonobos und Gorillas, die sowohl klettern als auch auf allen Vieren laufen können. Auch Orang-Utans, die ihr Leben hauptsächlich auf Bäumen verbringen, wurden in die Studie miteinbezogen, genauso wie moderne Menschen. „Die menschlichen Vergleichsproben kommen von Menschen, die vor einigen hundert Jahren lebten, als man körperlich sehr aktiv war“, sagt Pahr.

Wurde die Zweifüßigkeit mehrmals erfunden?

Der ältere der beiden Frühmenschen – der Australopithecus – hat eine Knochenstruktur, die der des modernen Menschen sehr ähnlich ist. Das deutet darauf hin, dass er kaum geklettert ist. Der jüngere Fund hingegen zeigt eine Dichteverteilung im Knochen, die auf eine Kombination von Klettern und Gehen schließen lässt, ähnlich wie bei einem Menschenaffen.

Wenn uns der ältere der beiden Frühmenschen in seinen Bewegungsgewohnheiten ähnlicher war als der jüngere, dann lässt das darauf schließen, dass unsere Vorfahren nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt von den Bäumen heruntergestiegen sind, um sich danach auf dem Boden fortzubewegen. Möglicherweise wurde das Gehen auf zwei Beinen mehrere Male entwickelt. Es mag längere Phasen gegeben haben, an dem unsere Vorfahren immer wieder zwischen Bäumen und Ebene hin und her gewechselt sind.

 

Originalpublikation

L Georgiou et al., Evidence for habitual climbing in a Pleistocene hominin in South Africa, PNAS 2020., öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster