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Der Raum und wir

Ioannis Giannopoulos wurde 2018 zum jüngsten Professor der TU Wien berufen. Der Geoinformatiker untersucht, wie Technik uns helfen kann, mit raumbezogenen Daten umzugehen.

Prof. Ioannis Giannopoulos

Es sieht ein bisschen aus, als würde man einen Science-Fiction-Film drehen, wenn das Team von Prof. Ioannis Giannopoulos Experimente durchführt: Versuchspersonen laufen mit Spezialbrillen herum, die ihnen computergenerierte Objekte direkt vor dem Auge projizieren, andere tragen Helmkameras, Eyetracker oder Spezialarmbänder mit Sensoren.
Eines haben all diese Forschungsprojekte gemeinsam: Es geht um räumliche Daten. Neue Technologien sollen uns helfen, uns im Raum besser zurechtzufinden und raumbezogene Informationen intuitiv aufzunehmen. Dabei kann es um die Aufgabe gehen, in einer fremden Stadt den richtigen Weg zu finden – oder aber auch um die Frage, an welcher Stelle man die Straße aufgraben muss, um das Abwasserrohr zu finden. Raumbezogene Daten bestimmen unser Leben.

Die Koordinaten im Kopf

„Unser Forschungsgebiet ist eine Nische, die international gerade massiv an Bedeutung gewinnt“, sagt Ioannis Giannopoulos. „Die Geoinformation verbindet die Computerwissenschaft mit den Geowissenschaften und mit den Kognitionswissenschaften. Wir arbeiten mit Sensoren, Satellitendaten und Computercodes, gleichzeitig kooperieren wir auch mit Forschungsteams aus der Psychologie oder der Stadtplanung.“

Ioannis Giannopoulos stammt aus Griechenland. Um Informatik zu studieren ging er nach Saarbrücken, für seine Masterarbeit forschte er am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Dort beschäftigte er sich mit der Interaktion zwischen Menschen und Computern – ein Fachgebiet, das ihn bis heute nicht losgelassen hat. Nach dem Masterstudium wechselte er an die ETH Zürich, um im Team von Prof. Dr. Martin Raubal zu promovieren. „Das kam für mich eher überraschend. Ohne mich zu bewerben, bekam ich damals ein Angebot für eine Dissertationsstelle“, erzählt er.

In Zürich untersuchte Giannopoulos, wie sich Menschen in einer Stadt zurechtfinden. Versuchspersonen wurden mit einem klassischen auf Papier gedruckten touristischen Stadtplan ausgestattet und trugen eine Eye-Tracking-Brille, mit der man untersuchen konnte, wohin sich ihr Blick richtet. Dabei zeigt sich, dass es verschiedene Strategien gibt: Man kann markante Gebäude in der Umgebung erkennen und diese dann auf der Karte suchen – oder umgekehrt: Elemente der Karte in der Wirklichkeit suchen. Mit Hilfe des Eye-Trackers kann man unterschiedliche Strategien erkennen und ihre Erfolgsquote messen.

„Mittlerweile sind wir so weit, dass wir mit Hilfe künstlicher Intelligenz sogar einschätzen können, ob jemand mit Hilfe des Stadtplans gerade eine Route plant, nach einem Restaurant in der Nähe sucht oder eine andere Aufgabe lösen möchte“, sagt Ioannis Giannopoulos. Solche Erkenntnisse kann man dann verwenden, um bessere Assistenzsysteme zu entwickeln, die unaufdringlich und treffsicher die richtigen Hinweise geben. „Beim Gehen ständig aufs Handy zu starren, ist unangenehm. Aber stattdessen kann man auch einen Navigationsassistenten entwickeln, der zum Beispiel das Handy vibrieren lässt, wenn ich an der Straßenkreuzung meinen Blick in die richtige Richtung richte.“

Hier verschmilzt die Geoinformation mit den Kognitionswissenschaften: Das Ziel ist eine Technologie, die nicht mehr unsere gesamte Aufmerksamkeit beansprucht, die aber diskret im Hintergrund erkennt, wenn wir Hilfe brauchen. Am Ende soll die Technik nicht dazu führen, dass wir völlig von ihr abhängig sind, sondern uns helfen, eine Karte im Kopf anzulegen, nach der wir uns auch ohne elektronische Hilfsmittel orientieren können.

All das funktioniert nur, wenn die Geräte zuverlässig erkennen, wo sie sich befinden. Im Freien kann man dafür GPS-Daten verwenden, in Innenräumen auch optische Kameras, die Räume und Objekte wiedererkennen. Dazu kommen verschiedene Sensoren, mit denen man Bewegungen und Drehungen messen kann. Für ein wichtiges Zukunftsthema hält Giannopoulos die „Mixed Reality“. Im Gegensatz zur Virtual Reality, wo man Bildschirmbrillen trägt, von denen man in völlig neue digital generierte Welten versetzt wird, sieht man in der Mixed Reality nach wie vor die natürliche Umgebung, aber zusätzliche Informationen können mit Hilfe einer Brille eingeblendet werden – etwa wichtige Beschriftungen beim Reparieren technischer Anlagen, oder Leitungsrohre, die unter dem Straßenasphalt versteckt sind.

Von Zürich nach Wien

Ioannis Giannopoulos arbeitet nicht nur an einem jungen, aufstrebenden Forschungsgebiet, er ist auch selbst ein bemerkenswert junger, aufstrebender Forscher: Mit nur 31 Jahren wurde er 2017 als jüngster Professor an die TU Wien berufen und trat im Januar 2018 die Stelle an. Sein fachliche Reputation war ihm vorausgeeilt – bereits 2014 wurde er als Dissertant in Zürich als eines von drei jungen Talenten ausgewählt, die ETH bei der jährlichen Galaveranstaltung für die Industrie zu vertreten. Nach Abschluss seiner Arbeit erhielt er den Culmann-Award für ausgezeichnete Dissertationen.

Sein Wechsel nach Wien gibt im nun die Möglichkeit, eine weltweit führende Forschungsgruppe für Geoinformation aufzubauen. „Die Voraussetzungen dafür sind sehr gut, die Erfolge sind bereits sichtbar“, sagt Giannopoulos. Bereits kurz nach Antritt der Professur in Wien wurde er von dem Geoinformations-Softwarehersteller ESRI in das ESRI Development Center (EDC) Programm aufgenommen, eine Initiative von Esri, die Universitätsabteilungen mit hervorragender Lehre und Forschung im Bereich der Geoinformationssysteme unterstützt. „Das stärkt die enge Verbindung zwischen akademischer Forschung und Industrie, davon können wir alle nur profitieren“, ist Ioannis Giannopoulos überzeugt.