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Der Klimawandel verschiebt Europas Hochwässer

Ein Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Hochwässern ist nun erstmals klar belegt. Eine von der TU Wien geleitete Studie zeigt: Der Zeitpunkt der Hochwässer verschiebt sich dramatisch.

Überflutung

© ASI / Land Tirol / BH Landeck

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Hochwasser im August 2005 in Kappl-Nederle im Paznauntal

Karte mit entsprechenden Markierungen

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Das durchschnittliche Auftreten von Hochwässern im Lauf des Jahres - Winterhochwässer: blaue Pfeile nach oben, Sommerhochwässer: rote Pfeile nach unten.

Wenn ein Fluss mit ungewohnter Heftigkeit über die Ufer tritt, ist es naheliegend, den Klimawandel dafür verantwortlich zu machen. Doch ein Einzelereignis ist kein Beweis – und so war bisher unklar, ob der Klimawandel einen direkten Einfluss auf Fluss-Hochwässer in Europa hat.

In einem internationalen Großprojekt, geleitet vom Hochwasserexperten Prof. Günter Blöschl von der TU Wien, wurden nun Datensätze aus 50 Jahren von über 4000 hydrometrischen Stationen aus 38 europäischen Ländern gesammelt und ausgewertet. Das Ergebnis: Der Klimawandel hat tatsächlich einen deutlichen Einfluss auf Hochwasserereignisse. Erkennen lässt sich das am besten daran, dass sich das Auftreten der Hochwässer über die Jahre zeitlich verschiebt. Je nach Ursache der Hochwasserereignisse treten sie in manchen Regionen immer früher auf, in anderen immer später. Publiziert wurden die Ergebnisse nun im Fachjournal "Science".

Die Intensität verrät nicht alles
"In der Hochwasserforschung beschäftigen wir uns oft mit der jährlichen Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Hochwässern", sagt Prof. Günter Blöschl (Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, TU Wien). "Auch ihre Intensität wird erhoben – und so definiert man etwa ein hundertjähriges Hochwasser als ein Hochwasserereignis einer Stärke, das jedes Jahr nur mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Prozent eintritt."

Doch um den Einfluss des Klimawandels zu untersuchen sind Wahrscheinlichkeiten und absolute Intensitäten nicht die besten Parameter. Sie hängen nämlich nicht nur vom Klima ab: "Wenn man sich nur die Intensität von Hochwasserereignissen ansieht, wird die Rolle des Klimas von anderen Effekten maskiert", erklärt Günter Blöschl. "Die Landnutzung, etwa Versiegelung von Flächen oder intensive Landwirtschaft, oder auch der Rückgang von wasserspeichernden Auwäldern – all das hat einen sehr starken Einfluss auf Hochwasserereignisse."

Der Zeitpunkt gibt Auskunft über den Klima-Einfluss
Um dem Zusammenhang zwischen Klima und Hochwasser trotzdem auf die Spur zu kommen, sah sich Blöschl mit seinem Team genau an, zu welcher Jahreszeit die Hochwasserereignisse in unterschiedlichen Regionen Europas auftreten. "Der Zeitpunkt eines Hochwassers gibt nämlich Aufschluss über seine Ursache", sagt Blöschl.

So treten etwa in England und im Mittelmeerraum Hochwässer eher im Winter auf, weil dann die Verdunstung gering ist und die Niederschläge intensiv sind. In Österreich hingegen sind Hochwässer im Sommer häufig, nach heftigem Starkregen. In Nordosteuropa wiederum ist zur Zeit der Schneeschmelze im Frühling die Hochwassergefahr am höchsten. Der Zeitpunkt, an dem das Hochwasser auftritt, hat also mit dem Klima viel unmittelbarer zu tun als die absolute Höhe des Hochwasserereignisses.

So wurden in jahrelanger, mühevoller Arbeit Hochwasserdaten aus ganz Europa zusammengesammelt, aufbereitet und mit Hilfe von Modellrechnungen analysiert. Dabei zeigte sich tatsächlich, dass sich die Hochwässer in Europa in den letzten 50 Jahren zeitlich ganz deutlich verschoben haben: "Im Nordosten Europas, in Schweden, Finnland und im Baltikum kommen die Hochwässer heute um einen Monat früher als in den 60er und 70er Jahren. Damals traten sie durchschnittlich im April auf, heute im März", sagt Günter Blöschl. "Das liegt daran, dass der Schnee heute bereits früher schmilzt als damals." In England und Norddeutschland hingegen kommt das Hochwasser heute um etwa zwei Wochen später als damals. "Der Klimawandel ändert den Luftdruckgradienten, das führt dort zu später auftretenden Winterstürmen", erklärt Blöschl. An den Atlantikküsten Westeuropas führt der Klimawandel dazu, dass früher im Jahr das Maximum an Bodenfeuchte erreicht ist, und in Teilen der Mittelmeerküste führt die Erwärmung des Mittelmeers dazu, dass die Hochwasserereignisse immer später auftreten.

"Den Zeitpunkt der Hochwässer in ganz Europa über viele Jahre hinweg analysieren zu können, gibt uns ein sehr sensibles Sensorium, um die Ursachen des Hochwassers zu klären", sagt Günter Blöschl. "So können wir Zusammenhänge nachweisen, über die man bisher nur spekulieren konnte."

Ein wissenschaftliches Großprojekt wie dieses ist außergewöhnlich arbeitsaufwändig – möglich wurde es durch einen ERC Advanced Grant, mit dem Günter Blöschl im Jahr 2012 ausgezeichnet wurde. Mit dem Fördergeld des ERC Advanced Grants konnte er seine Forschungsgruppe vergrößern, zahlreiche internationale Kooperationen begründen und so den Zusammenhang zwischen Klima und Hochwasser genau unter die Lupe nehmen.

Originalpublikation: Blöschl et al., Changing climate shifts timing of European floods, Science, 2017.

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[1] Foto: ASI / Land Tirol / BH Landeck


Rückfragehinweis:
Dr. Magdalena Rogger
Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie
Technische Universität Wien
Karlsplatz 13, 1040 Wien
T: +43-1-58801-22327
rogger@hydro.tuwien.ac.at 

Aussender:
Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Resselgasse 3, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at