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Der Holz-Patch-Roboter

Roboter erkennen Materialfehler und bessern sie aus: Automatisierungstechnik der TU Wien macht Holzverarbeitung effizienter und ressourcenschonender.

Maschinen für die Holzverarbeitung

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Die TU Wien hilft mit, die Holzverarbeitung zu automatisieren.

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Ein gutes Auge und eine schnelle Hand braucht, wer Fehler in Schalungsplatten ausbessern will. Dort, wo ein Stück Ast aus dem Brett herausfallen und ein Loch zurücklassen könnte, muss die Platte ausgebohrt und die Stelle mit unversehrtem Holz ersetzt werden. Diese Aufgabe ist kognitiv und mechanisch anspruchsvoll, aber selbst solch komplexe Arbeiten lassen sich heute von Robotern erledigen. Ein Forschungsteam der TU Wien (Matthias Hofmair, Martin Melik-Merkumians, Martin Böck und Johannes Zajc aus den Arbeitsgruppen von Prof. Andreas Kugi und Prof. Georg Schitter) hat zusammen mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie ein Verfahren entwickelt, mit dem Holzplatten vollautomatisch bearbeitet werden.

High-Tech nützt der Wirtschaft
„Auf den ersten Blick könnte man meinen, bei der holzverarbeitenden Industrie handle es sich um einen Low-Tech-Bereich, doch das ist sicher falsch“, sagt Prof. Andreas Kugi vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik (ACIN). „Gerade Branchen, in denen die Automatisierung mancherorts noch nicht so weit fortgeschritten ist, können von Regelungstechnik und Robotik enorm profitieren.“

Äste sind bei der Holzverarbeitung ein Problem: Aus einer Schalungsplatte, wie man sie etwa für den Betonbau verwendet, könnte das schlecht mit dem Rest des Bretts verbundene Astholz herausfallen. Das Ausbessern dieser Stellen ist eine mühevolle Tätigkeit, die heute per Hand durchgeführt wird. Nun wurde dafür ein automatisiertes Verfahren entwickelt, das sich auch in der Praxis bereits bewährt: In einem Sägewerk des Projektpartners Lip Opazne Plosce Bohinj in Bohinjska Bistrica, Slowenien läuft bereits erfolgreich eine Prototypenanlage und ergänzt die ansonsten manuelle Korrektur von Holzdefekten. Die Anlage übertrifft den Menschen in ihrer Fähigkeit, Schadstellen im Holz zu erkennen und einzuschätzen, ob sie noch akzeptabel sind oder doch bereits ausgebessert werden müssen. Auch was die Geschwindigkeit und die Präzision betrifft, mit der die Maschine die notwendigen Ausbesserungen vornimmt, ist sie menschlichen Fähigkeiten überlegen.

Zeit und wertvolle Ressourcen sparen
„Holz ist ein wertvoller Rohstoff“, sagt Andreas Kugi. „Das Ziel des Projektes war, den Durchsatz der Maschine zu maximieren und dabei die Ressource Holz optimal zu nutzen. Mit Hilfe intelligenter Maschinen können wir Ausschuss minimieren und Verschwendung verhindern.“

Zunächst wird die Schalungsplatte mit einem Kameranetzwerk gescannt. Dieses erkennt Problemstellen, entscheidet, welche von ihnen entfernt werden müssen und berechnet die minimal notwendige Anzahl an Patches. „Ein Mensch würde sich dabei auf sein Bauchgefühl verlassen und vermutlich mehr Bohrungen als nötig durchführen“, sagt Kugi. Der Roboter entfernt kreisrunde Stücke aus der Platte und ersetzt sie durch einen „Patch“, ein gleichgroßes Stück einer astlosen Holzlatte.

Auch die Reihenfolge der Bearbeitung spielt für die Dauer des Arbeitsprozesses eine wichtige Rolle. Der Patch-Roboter muss so über die Oberfläche der Platte gelenkt werden, dass alle Problemstellen mit einem zeitoptimalen Weg verbunden werden – eine Aufgabe, die man auch als „Travelling Salesman Problem“ kennt.

„Aus Sicht der Steuerungs- und Regelungstechnik gab es bei diesem Projekt viele wissenschaftlich herausfordernde Fragestellungen“, sagt Andreas Kugi. Die Bewegungen der Schalungsplatten und des Roboters müssen möglichst schnell ablaufen, aber trotzdem auf Millimeter exakt sein. Wird das Brett mit Hilfe von gummierten Ketten bewegt, tritt Schlupf zwischen den Ketten und der Schalungsplatte auf, sodass die Platte nicht exakt in der zuvor berechneten Position zu liegen kommt. Der Roboter muss die Position der Platte daher optisch überwachen und das geplante Verhalten an eventuell aufgetretene neue Bedingungen automatisch anpassen.

Individuelle Bearbeitung: Die Zukunft der Industrieproduktion
„Früher hieß Automatisierung, dass eine größere Anzahl von Werkstücken von einer Maschine genau gleich behandelt wird. Das wäre hier völlig unmöglich, weil jedes Holzstück einzigartig ist und anders verarbeitet werden muss“, sagt Andreas Kugi. „Dieses Projekt zeigt, worin die Zukunft der Automatisierungstechnik liegt: Am automatischen aber individualisiert angepassten hochflexiblen Verarbeiten.“

Möglich wird das durch ein Zusammenspiel vieler Forschungsbereiche: Moderne Kommunikations- und Informationstechnologie, Sensorik, Bildverarbeitung, Mechatronik, Systemtheorie und Regelungstechnik. Eine individualisierte Automatisierungstechnik, die sich auch für kleine Produktionsserien oder sogar für die Herstellung von Einzelstücken effizient einsetzen lässt, wird Wirtschaft und Arbeitswelt nachhaltig verändern, glaubt Andreas Kugi: „Durch einen intelligenten Einsatz von Automatisierung und Robotik kann man eine Abwanderung der produzierenden Industrie aus Hochlohnländern wie Österreich verhindern und neue qualitativ hochwertige Arbeitsplätze schaffen.“

Die zu diesen Ergebnissen führende Forschung wurde von der Europäischen Union im 7. Rahmenprogramm (FP7/2007-2013) gefördert: EU FP 7 Projekt: Holonic Integration of Cognition, Communication and Control for a Wood Patching Robot (HOL-I-Wood PR, Projektnummer 284573) Die TU Wien kooperierte bei diesem Projekt mit den Firmen MiCROTEC, TTTech Computertechnik AG, Springer Maschinenfabrik und LIP OPAZNE PLOSCE BOHINJ sowie den wissenschaftlichen Partnern TU München und Universität Lulea.

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Rückfragehinweis:
Prof. Andreas Kugi
Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik,
Technische Universität Wien
Gußhausstraße 25, 1040 Wien
T: +43-1-58801-37614
andreas.kugi@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Operngasse 11, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at

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