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Ausstellungstipp: Beirut

Beirut ist nach Detroit die zweite Ausstellung im Rahmen einer Städtereihe der Kunsthalle Wien, die sich mit dem kreativen Potenzial von Metropolen im Wandel auseinandersetzt. Beirut, vielfach als "Paris des Nahen Ostens" bezeichnet, ist von jahrzehntelangen Bürgerkriegen und bewaffneten Auseinandersetzungen gezeichnet.

Bild: Tanya Traboulsi, aus: Réminiscences Beyrouthines, "Zerstörtes Gebäude an der ehemaligen Grünen Linie", Beirut, 2007. © 2011 Tanya Traboulsi, Courtesy "Alcyon & Triton"™ Productions I Jimex, Beirut.

Bild: Tanya Traboulsi, aus: Réminiscences Beyrouthines, "Zerstörtes Gebäude an der ehemaligen Grünen Linie", Beirut, 2007. © 2011 Tanya Traboulsi, Courtesy "Alcyon & Triton"™ Productions I Jimex, Beirut.

Bild: Tanya Traboulsi, aus: Réminiscences Beyrouthines, "Zerstörtes Gebäude an der ehemaligen Grünen Linie", Beirut, 2007. © 2011 Tanya Traboulsi, Courtesy "Alcyon & Triton"™ Productions I Jimex, Beirut.

Die libanesische Metropole ist sowohl in architektonischer als auch in sozialer, ökonomischer und historischer Sicht eine von mehrmaliger Zerstörung, Umstrukturierung und Wiederaufbau gekennzeichnete Stadt, die in ihrer komplexen Dynamik wohl einmalig ist. Das besondere Flair und der unverwechselbare Reiz dieser Stadt speisen sich aus der Diversität ihrer Bevölkerungsstruktur, zu der fast 20 verschiedene Religions- und ethnische Gruppen zählen.

Feudales Denken, Hierarchien, sich überschneidende Zugehörigkeiten zu sozialen Gruppen und diversen Familienclans sind im Libanon von großer Wichtigkeit und bestimmen die sozio-ökonomische Stratifzierung und die sozialen Interaktionen im Land. Dies gilt auch für die Akteure der Kulturszene, die gerade in dieser Komplexität ihre Inspirationsquelle finden und kritische Reflexionen über diese fragile Balance der Mächte anstellen. Wie z.B. Rania Stephan, die in ihren dokumentarisch anmutenden Videoarbeiten marginalisierte Stadtbewohner zu Wort kommen lässt und diese zu deren Lebensbedingungen und Träumen befragt.

Historisch gesehen hielt in Beirut, zeitgleich wie in Europa, die Aufbruchsstimmung der Moderne Einzug, die nicht nur architektonische und technische Veränderungen mit sich brachte, sondern von der sich die Beiruter Intelligentsia – auch mit Blick auf die teils wohlwollend, teils skeptisch beobachtete Besiedlung Palästinas durch europäische Juden – eine sozialistisch gefärbte gesellschaftliche Veränderung erhoffte. In den Jahren des transnationalen Nasserismus wurden diese Gedanken wiederbelebt und wirken auf libanesische Intellektuelle bis heute. In diesem komplexen gesellschaftlichen Mosaik sind viele Künstler und Intellektuelle des Libanon auch heute noch und nach unzähligen Konflikten einem eher sozialkritischen Kunstbegriff verbunden, der dem Milieu der Toleranz und des Austauschs verpflichtet ist und zudem stilistisch eine Symbiose mit der narrativen Tradition eingeht – so wie etwa der Film Ras Beirut von Mahmoud Hojeij Erinnerungen an die Grandesse des Vorkriegs-Beirut wachruft.   
Außer mit diversen gesellschaftlichen Konflikten setzen sich die gezeigten künstlerischen Arbeiten mit den Facetten der eigenen Identität und der Identität einer vom Krieg verwüsteten und sich im permanenten Ausnahmezustand konstituierenden Nation auseinander. Denn die Spuren des 15 Jahre währenden Bürgerkriegs und zahlreicher bewaffneter Auseinandersetzungen haben sich nicht nur in das Stadtbild eingeschrieben, sondern hinterließen auch bei den BewohnerInnen tiefe Spuren.

Ausgewählte Video- und Filmarbeiten von jungen aufstrebenden KünstlerInnen wie etwa von Ali Cherri, Maher Abi Samra, Reine Mitri oder Rami El-Sabbagh legen von den immer wiederkehrenden kriegerischen Konflikten Zeugnis ab und thematisieren die Angst vor der nächsten detonierenden Bombe und den dahinterstehenden  geopolitischen Interessen der dominanten Mächte. Das heutige Stadtbild der ausufernden Urbanisierung changiert zwischen exklusiven Gebäudekomplexen an der subtropisch-mediterranen Küstenlinie bis hin zu noch immer vorhandenen zerbombten Häusern und silhouttehaft durchlöcherten Fassaden. Diese beiden Extreme inspirieren Künstler wie z.B. Randa Mirza zu utopischen Fotocollagen gleichwohl wie die international gefeierte und im Libanon geborene Künstlerin  Mona Hatoum, die sich in ihren beiden Skulpturen auf die prekäre geopolitische Situation der Metropole bezieht.

Der Schwerpunkt der Schau liegt auf filmischen Arbeiten von KünstlerInnen, die die Themen Freiheit, Selbstverwirklichung und Gleichberechtigung unter den verschärften Bedingungen eines permanenten Konfliktes bearbeiten. Wobei die Ausstellung durch die momentane politische Lage im Nahen Osten besondere Aktualität erhält. Neben künstlerischen Arbeiten beinhaltet die Ausstellung dokumentarisches Bildmaterial und Texte zur Geschichte  und Stadtentwicklung. Weitere Städte im Fokus sind nach Detroit und Beirut Lagos und Saigon.

Ausstellungsdauer:
bis 24. August 2011
täglich 13 – 24 Uhr, So/Mo 13 – 19 Uhr
Kunsthalle Wien - project space
Treitlstraße 2, 1040 Wien