Ein Kernelement des Wissenschaftssystems ist das Peer Review System sowie der Glaube, dass Leistungen immer objektiv beurteilt werden.


Fehlende Objektivität

Unzählige Studien zeigen, dass dies objektive Bewertung ein Mythos ist. Die bis heute berühmteste Arbeit dazu ist die von Wenneras & Wold bereits 1997 in Nature publizierte Studie "Nepotism and Sexism in Peer Review". Die Autorinnen zeigen, dass Frauen wesentlich bessere Leistungen bringen müssen als männliche Kollegen, um eine Forschungsförderung zu bekommen.

Grafik zur Objektivität
  • Total impact: Addition der Impact-Faktoren aller publizierten Journal-Artikel
  • Competence score: tatsächliche Beurteilung bei der Auswahl

 

Gefundene Einflussfaktoren (lt. genannter Studie)

  • Bekanntschaft mit Jury-Mitgliedern
  • Geschlecht
  • Wissenschaftliche Produktivität

Fazit: Es gibt geschlechterbezogene Verzerrungen bei der Beurteilung von Forschungsleistungen und Forschungsanträgen.

Quelle: Nepotism and Sexism in Peer Review, öffnet eine Datei in einem neuen Fenster, Christine Wenneras, Agnes Wold, NATURE, Vol 387, pp. 341-343, May 22, 1997

Gender Bias

Einiges Aufsehen erregte im Jahr 2012 eine an der Yale University durchgeführte Studie "Science faculty's subtle gender biases favor male students.", die untersuchte, wie sehr sich im wissenschaftlichen Personal ein Gender Bias bei Beurteilung und Umgang mit Studierenden zeigt.

In einem groß angelegten Experiment über sechs US-amerikanische Universitäten wurde die These getestet: „Werden männliche Studierende positiver beurteilt als weibliche Studierende, was die ihnen zugeschriebene Kompetenz betrifft, ihre Eignung für eine wissenschaftliche Mitarbeit, bei angebotener Bezahlung für wissenschaftliche Mitarbeit sowie der Bereitschaft, als Mentor/Mentorin für diese Studierenden zu agieren".

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sowohl Wissenschaftler als auch Wissenschaftlerinnen weibliche Studierende als weniger kompetent und weniger förderungswürdig erachten, ihnen geringere Einstiegsgehälter anbieten und sie weniger in ihrer Laufbahn unterstützen. Abbildung aus Studie:

Grafik Gender Bias

Quelle: Science faculty’s subtle gender biases favor male students, öffnet eine Datei in einem neuen Fenster, Corinne A. Moss-Racusin, John F. Dovidio, Victoria L. Brescoll, Mark J. Graham, Jo Handelsman, PNAS, Vol. 109, No. 41, 16474-16479, October 9, 2012
 

Diskrepanzen bei Bewerbungsprozessen

Viele weitere Experimente befassen sich mit dem Thema der unterschiedlichen Beurteilung der Leistungen von Männern und Frauen. Exemplarisch sei hier die Untersuchung von Paludi und Bauer erwähnt  “Goldberg Revisited: What's in an Author's  Name” erwähnt, die zeigt, welchen Einfluss das Geschlecht auf die Beurteilung von Mathematik Publikationen hat. Das Ergebnis auf einen Blick: Wenn die Autorenschaft einem Mann zugeschrieben wird, wird ein und das gleiche Paper signifikant besser bewertet, als wenn es von einer Frau eingereicht worden wäre. Diese unterschiedliche Beurteilung zeigen Männer wie Frauen gleichermaßen.

Grafik Vorurteile gegen Frauen in der Wissenschaft

Quelle: Goldberg Revisited: What's in an Author's Name, öffnet eine Datei in einem neuen Fenster, Michele A. Paludi, William D. Bauer, Sex Roles: A Journal of Research, Vol. 9, No. 3, pp. 387-390, 1983

Auch in Empfehlungsschreiben findet sich oft ein Gender Bias: Letters of Recommendation, öffnet eine Datei in einem neuen Fenster

Leaky Pipeline

An der TU Wien wurde im Jahr 2011 im Rahmen des vom Rektorat beauftragten Forschungsprojektes die "Leaky Pipeline“, also das starke Abnehmen der Anzahl von Frauen entlang der wissenschaftlichen Karriereleiter, untersucht.

Die Projektergebnisse, öffnet eine Datei in einem neuen Fenster zeigen unter anderem einen erheblichen Bias bei der Personalauswahl. Bewerben sich für eine ausgeschriebene wissenschaftliche Position an der TU Frauen und Männer, wird in Experimenten deutlich, dass (potenzielle) Entscheidungsträger und auch entscheidungsträgerinnen Männer und Frauen nach geschlechtsspezifischen Stereotypen beurteilen. Darüber hinaus werden Lebensläufe von Frauen dann signifikant schlechter beurteilt, wenn das Geschlecht aus der Bewerbung ersichtlich ist. Bei Männern tritt der gegenteilige Effekt auf. 

Weiterführende Publikationen zum Projekt sind zu finden unter http://www.imw.tuwien.ac.at/aw/project_overview/leaky_pipeline/., öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Maßnahmen gegen Diskriminierung

Der ebenfalls in Nature erschienene Kommentar des Neurobiologen Ben A. Barres argumentiert, dass ein wichtiger Schritt zur Beseitigung von Diskriminierung ist, diese anzuerkennen und aktiv daran zu arbeiten. Als Maßnahmen für die andauernde Diskriminierung von Frauen schlägt er vor, Führungskräfte künftig nach anderen Gesichtspunkten auszuwählen, für mehr Diversität bei den Forschenden zu sorgen um mehr unterschiedliche Role Models zu haben und vor allem die stattfindende Diskriminierung anzusprechen. Zudem sollen Auswahlprozesse transparenter und fairer gestaltet werden und schließlich müsste dem weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs mehr Selbstbewusstsein mit auf den Weg gegeben werden.

Quelle: Does gender matter?, öffnet eine Datei in einem neuen Fenster Ben A. Barres, NATURE, Vol. 442, pp. 113-136, July 13, 2006