Frauengruppe als Auslöserin für die Gründung des HTU-Frauenreferates

Unter dem Titel:

                 FRAUEN       TRÄUME       RÄUME

                 FRAUEN                                                      ARCHITEKTUR

                                                                FRAUEN       ARCHITEKTUR

                                                                                        ARCHITEKTUR       FRAUEN       

                                                                                                                                                  STUDIUM

wurde eine Aktionswoche der Frauengruppe Architektur vom 26. - 29.4.1982 mit der Forderung "Für ein frauengerechtes Studium" durchgeführt. In einem 14-seitigen Bericht über die Veranstaltung schreiben die Frauen: Die Reaktion zu diesem Motto, mildes Lächeln, Schulterzucken, nicht wissen, was damit anfangen, manchmal ein wenig Anfangsbegeisterung, zeigten uns gleich, wie wichtig es war, dieses Thema zur öffentlichen Diskussion zu stellen. Sind nicht fast 40% der Architekturstudenten Frauen, mind. die Hälfte der Frauen im erwerbstätigen Alter berufstätig, wo ist derjenige, der darauf hinweist, dass die Frauenbewegung die am stärksten innovative und gesellschaftsverändernde Massenbewegung des 20. Jh. ist. Im unserer heilen Männerarchitekturwelt, die auch bei uns an der TU herrscht, stellt sich die Frage nach dem Selbstverständnis als Frau in Studium und Praxis, schon nach kurzer Situationskenntnis.

Weiter schreiben sie über die Intention eine solche Veranstaltung abzuhalten: Die Diskussion über die Ursachen und die Veränderungsstrategien sollen jedoch über die Probleme unseres Frauenlebens an der TU hinausgehen. Wir wollen die Zusammenhänge Frau - Gesellschaft - Architektur aktualisieren. Zu oft zeigen uns die Verhaltensweisen unserer männlichen Kollegen, auch der Assistenten und Professoren, welches tradierte Frauenbild vorherrscht. Wir vermissen allgemein bei der Auseinandersetzung mit Architektur die Bezugnahme zum jeweiligen gesellschaftlichen Kontext, im besonderen die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Wir glauben, dass es die Pflicht des/r Architekten/in ist, sich mit geistigen, kulturellen und sozialen Strömungen der Zeit zu beschäftigen und darauf zu reagieren! Dabei sehen wir als Architekturstudentinnen und zukünftige Architektinnen es im Speziellen als unsere Aufgabe an, “die Frau” als Beplante und Planende in den Mittelpunkt unserer Untersuchungen und Arbeiten zu stellen.

Veränderungen der Familienstrukturen, Wohn- und Lebensformen, der Arbeitsplatzsituation durch Änderung der wirtschaftlichen Lage und des Bildungsangebots, der Bedingungen im öffentlichen Verkehr, in den Geschäften usw.- und unsere Situation als Planende in einer noch hauptsächlich von Männern gestalteten Umwelt, und eben jenem Potential an männlichen Planern, die ihre weibliche Kollegen noch keineswegs als gleichwertig und gleichqualifiziert anerkennen!

Die Frauen forderten aber auch konkrete Punkte zu den Themen Studieninhalte, Lehrformen, Frauenbild im Studium und soziale Benachteiligung, die wie folgt formuliert wurden:

  • Seminare und Vorlesungen zum Thema “Geschichte der Frau in der Architektur”
    und zwar sowohl im Zusammenhang der jeweiligen sozialen Stellung der Frau und der Architektur,
    als auch als Information über Arbeit und Vorstellungen von Architektinnen.
  • mehr Frauen als Lehrende, als Assistentinnen und Professorinnen
  • Berücksichtigung der Ergebnisse der Frauenforschung
  • Abbau von frauenfeindlichen Rollenbildern
  • gegen chauvinistische Verhaltensweisen von Kollegen und Professoren
  • kollektive Formen des wissenschaftlichen Arbeitens und für interdisziplinäre Projektstudien
  • Uni-Kinderkrippen und -Kindergärten zu Sozialtarifen an allen Universitäten,
    die von der ÖH finanziert werden
  • ein gesamtösterreichisch geregeltes Karenzgeld für Mütter und Väter
  • Heimplätze für studierende Mütter und Väter mit Kindern
  • einen eigenen Raum für die Frauengruppe Architektur an der TU

Wie lange es dauerte, um einige dieser Punkte umzusetzen wird weiter hinten in dieser Arbeit beschrieben. Bevor dann auf diesem maschingeschriebenen Protokoll die Berichte der Aktionswoche kommen, ist noch der Treffpunkt der Frauengruppe bei Gertraud Müller jeden Mi 19:00 zu finden, zu dem alle anderen, die jetzt Lust bekamen herzlich eingeladen wurden. Weiters wird noch auf ein Konzert von Ina Deter am 3.6. im Audi Max der Universität verwiesen. Und jetzt zur Aktionswoche, die mit inhaltlichem Bericht der Veranstaltung aber auch der Atmosphäre beschrieben wurde. Ich zitiere wiederum:

Sketchomime
Montag 26.4.1982
10:00 Gang vor dem Aktsaal  

Die ersten Besucher warten auf die angekündigte “Sketchomime”. Eine Aktion von Studentinnen, die sich mit grundlegenden Problemen, die eine Frau täglich auf der Hochschule passieren können, auseinandersetzten wollten. Was macht Frau denn, wenn sie bemerkt, das fast alle Frauenklos auf der TU zugesperrt sind, oder frau erst einmal einen Schlüssel von 2 Stockwerken tiefer oder höher holen muss? Soll sie weitersuchen oder doch lieber ins nächste Kaffeehaus gehen?

Leider wurden dann zwei unserer Mitwirkenden krank und deshalb kam die “Sketchomime” nicht zur Aufführung. Schade, wir hatten schon bei den Proben eine Menge Spaß aber irgendwann wird sie nachgeholt. 

Vortrag über Körpersprache
10:30 Vortrag über männliche und weibliche Körpersprache

Gerti Schmutzer zeigte uns anhand von Bildern typische männliche und weibliche Körperhaltungen. Diskutiert wurde darüber, ob diese Posen nun anerzogen oder natürlich sind. Ist es normal, dass eine Frau am Abend meist nur mit gesenktem Kopf , nahe der Hauswand, nach Hause geht, bevor sie das Haustor aufsperrt, sich vergewissert, dass ihr auch niemand gefolgt ist.

Denn wenn sie das nicht tut - dann ... usw.

Durch die entfallene “Sketchomime” fiel den dort anwesenden Frauen viel zum Thema Frausein ein, das dann in Form von Zitaten zusammengestellt wurde, die Themen umfassten: Zweierbeziehung, Ehe, Vergewaltigung ...

Arbeitskreis Behinderung
Ein weiterer Arbeitskreis befasste sich mit dem Thema Behinderung, wo auch ein Behinderter selbst zu Wort kam. Aufgezeigt wurden die Behinderer, die nicht nur alle Rollstuhlfahrer_innen, sondern auch Hausfrauen mit Kinderwägen, kreislaufschwache Pensionist_innen etc. zu Behinderten machen. Die Veranstalterinnen fordern eine Berücksichtigung behindertengerechter Planung in der ÖNORM und nicht eine Zusatzlehrveranstaltung für die die’s interessiert.

Die Frau im Recht
war der Titel von einem Vortrag von zwei engagierten Jus-Studentinnen, die die Probleme des Ehe- und Scheidungsrechts für Laien verständlich erläuterten.
Widersprüche zum Gesetz und dem romantischen Flair, das die Ehe umgibt wurden thematisiert. Auch Hilfsorganisationen für Frauen wurden mit Telefonnummern und Adressen bekanntgemacht.

Hexen, Mystik, Frauen ...Die Walpurgisnacht hat’s nicht gebracht ...
Zu diesem Vortrag kamen laut Bericht 53 Frauen und Männer. Gestaltet war er von der Frauengruppe Soziologie, die sich gerade mit diesem Thema beschäftigte und eine Gefahr in der Mystifizierung der Frauenbewegung sah. Es wurde der geschichtliche Hintergrund, sozio-ökonomische Ursachen und Phänomene dieser Diskriminierung besprochen. Ebenso das daraus entstandene Hexen-Muster. Die Soziologinnen verwiesen darauf sich nicht auf die “natürlichen weiblichen” Eigenschaften einschränken zu lassen. Frauen sollen um ihren Einfluss in der Wissenschaft kämpfen und sich nicht auf “neue Mütterlichkeit”, Urheilkräfte und sonstiges reduzieren zu lassen.

Maskenworkshop
In einem Maskenstudio wurden von den Frauen selbst Gesichtsmasken unter Anleitung der BesitzerInnen durchgeführt.

“Identität Mann-Frau” geändert
Die ca. 20 Teilnehmer, davon etwa 2/3 Frauen bildeten 4 Arbeitskreise, die versuchten, die Idealfrau, den Idealmann, die “reale Frau” und den” realen Mann” darzustellen.

Was dabei herauskam?
Die Idealfrau ist ein denkendes Wesen, das selbständig handelt und eigene unabhängige Entscheidungen trifft; chemische Produkte, wie Pille, Deodorants, Schminke etc. in den Papierkorb wirft, nicht auf ihren Körper reduziert sein will und dem Leben in allen Dingen bewusst gegenübertritt. Der Idealmann (von einer Männergruppe kreiert) soll softer sein, weicher und zärtlicher, darf empfindlich reagieren, manchmal Trauer und Tränen zeigen, ohne dadurch lächerlich und unmännlich zu sein.

Die “reale” Frau ist die Frau, um die sich alles dreht, Kinder, Küche und Kirche (Kirche könnte eventuell durch Werbung ersetzt werden). In ihrem Element ist sie die umsorgende Mutter, zärtliche Ehefrau und Repräsentantin des Mannes.

Und schließlich der “reale Mann”: Was könnte er anderes sein, als der Erfolgreiche (der Mann in der Zeitung), der Starke, der Verantwortungsvolle, die ganze Familie erhaltende Mann (oh Mann)!

Doch wo sind nun die Grenzen vom alten Klischee zum NEUEN KLISCHEE? Dieser Workshop war erfrischend, hat einiges zur Sprache gebracht ... anfangen muss jeder bei sich selbst.

 

Geschichte der Frauenbewegung

Unter dem Titel Geschichte der Frauenbewegung referierte die Gruppe “regelwidrig” die Situation der Frauen angefangen bei der französischen Revolution.
Daniela Hammer analysierte in einem anderen Workshop an Hand des Bildes “Kreuztragung” von Pieter Breugel welche Fülle an historischen Ereignissen und vor allem gesellschafts- und systemkritischen Inhalt man aus diesen Werken ablesen kann.  

Podiumsdiskussion
Eine Podiumsdiskussion mit Maria Auböck, Adolfine Khajat, Eva Mang, Lisa Meier, Silvia Montanari und Christine Zwingl gab Einblick in die Berufspraxis von Planerinnen. Aus dem Bericht zitiere ich wieder: “Man muss sich entscheiden: entweder man (=frau) widmet sich ganz der Familie, oder man (=frau) nimmt die zusätzliche Belastung den Beruf in Kauf” .. so hat die Generation vor uns das Problem der Berufspraxis der Frau gelöst. Und zusätzlich brauchen sie noch einen Mann, der mit dieser Situation einverstanden ist (Zitat) Sie haben es akzeptiert als Frau in erster Linie für Haushalt und Kinder verantwortlich zu sein, wenn man zusätzlich ein Berufsleben anstrebt, kann man auch als Frau in der Planung “seinen Mann stellen(!)”. Man (=Frau) muss halt mehr arbeiten, “die Mädels sind sowieso fleißiger”. So hat sich die eine oder andere durchgekämpft. Die Frauen wollen sich mit dieser traditionellen Anschauung nicht mehr zufrieden geben. Bei dieser Diskussion war typisch die Frau im Beruf und der Widerspruch mit dem Kinderkriegen Hauptthema, es wäre aber zu einfach, die Schwierigkeiten nur darauf zu konzentrieren, schreiben die Protokollantinnen selbst.

Musik, Kunst und Kultur im “ Brief an KUNSTL” ließ die g’studierte Bildhauerin Ingeborg G. Pluhar ihre Gedanken beim Entstehen einer Collage den anderen Zuhörerinnen zukommen.

Anka Hauter leitete einen Jazzworkshop für Frauen.  

“Im Mittelpunkt steht der Mensch” war der Titel eines Videofilms über die Architektin Grete Schütte-Lihotzky und ein Vortrag über die Wiener Siedlerbewegung. Die Architektin konnte leider nicht persönlich teilnehmen, da sie gerade eine Augenoperation hinter sich hatte. Sie begann mit 24 Jahren ihre Tätigkeit in der Wiener Siedlerbewegung und arbeitete bei der Ausarbeitung von Typengrundrissen für Siedlungshäusern, der direkten Betreuung und Beratung der Siedler und der Rationalisierung der Hausarbeit im damals üblichen Siedlungshaus, bestehend aus Wohnküche mit einer Feuerstelle zum Heizen und Kochen und Spülküche im Erdgeschoß und zwei bis drei kleinen Schlafräumen im Obergeschoß.  1922 wurde eine von ihr entworfene Spülkücheneinrichtung, die in einem Block billig hergestellt werden konnte, im Modell 1:1 bei der jährlichen Kleingarten-, Siedlungs- und Wohnbauausstellung der Stadt Wien auf dem Rathausplatz aufgestellt.

Schütte-Lihotzky sieht es als die Aufgabe des Architekten, gesellschaftliche Entwicklungen wahrzunehmen und an ihrer Spitze mitzuarbeiten. Wir planen für die Zukunft und müssen uns damit auseinandersetzen, welche Wohn- und Lebensformen, Arbeitsplatzsituationen, Verkehrslösungen, etc. künftig vorherrschen werden.

Dia-Serie und Filme
Unter dem Motto “Was Frauen auf der Technik tun” lief eine Dia-Serie, die von Carin Pino, Silvia Holler und Gertraud Müller gestaltet wurde. In erster Linie ging es dabei nicht um die an der TU studierenden Frauen, sondern um den Blick hinter die Kulissen der an der TU arbeitenden Frauen, die die “TU-Maschine” in Schwung halten. Nach außen wird die TU durch ihre berühmten Männer repräsentiert, klar, man betrachte die Ahnengalerie im Rektorat, die Plastiken vor dem Hauptgebäude. Von der “versteckten Arbeit”, banal davon zu reden, hörst du kaum. Diese versteckten Arbeiten werden hauptsächlich von Frauen verrichtet. Als Informationseinstieg diente die Darstellung von Arbeitsabläufen verschiedener Berufe, wie jener der Sekretärin, Bibliotheksbediensteten, Verkäuferin, Reinigungs-, Küchen- und Buffetpersonal. Die Darstellung bezog sich auf die ziemlich konkrete Situation, Berufsaussichten, Aufstiegschancen, so`s welche gibt. Es wurde versucht, die Arbeit zu dokumentieren, aufzuzeigen, was die betreffenden Frauen darüber denken, wie sie ihre Situation empfinden, was sie freut, was sie frustriert.

Weiters wurden Filme von zwei Frauen, nämlich: Gisela Scheubmayr: Helden und Enchanted Dawn gezeigt sowie von Gudrun Bieltz: Kleine Fenster und Wiener Schnitzel. Zu sehen waren auch noch Ausstellungen mit Collagen von Ingeborg Pluhar, “Frauengerechtes Wohnen” Grundrissgegenüberstellung zusammengestellt von Martina Schöberl und Ursula Licka, Fotoausstellungen: “Frauengegenstände” von Christine Zwingl, “Männer im Prater - Frauen im Prater” von Susanne Taschner sowie “Frauen in der Stadt”. Beendet wurde diese Veranstaltung mit einem Fest im legendären Zeichensaal 7, im Bericht mit dem PS versehen: Organisatorisch hat alles geklappt, vom Schmalz einkaufen bis zum Stummelverschieben (sprich Zusammenkehren) am Schluss. Mitgeholfen haben alle und nochmal alle - das war auch toll. Für die Stimmung sorgten “Why not”, Ursels Plattenspieler und eure und unsere gute Laune. Also dann bis zum nächsten Fescht!

Why not!

So das war also die erste Veranstaltung der Frauengruppe Architektur, wie frau liest, durchaus auch ein Erfolg. Für welches Zielpublikum der Bericht damals geschrieben wurde, weiß ich nicht, aber für die Betrachtungen im Nachhinein ist er ein sehr wertvolles Stück Geschichte.

 

Einrichten einer Sachbearbeiterin für Frauenfragen

Im Dezember 1982 wurde laut Frauen Info TU im Rahmen der ÖH eine Sachbearbeiterin für Frauenfragen eingerichtet, die dem Sozialreferat zugeordnet war. Die Frauen, die aus dieser Architektinnengruppe entstammten sahen Ihre Aufgaben in der Funktion einer Informationsstelle, als Beratung und Koordination der verschiedenen Studienrichtungen. Die Aufgabenbereiche beziehen sich auf Studium, Sozialbereich und Beruf. Die nächsten Pläne lesen sich folgendermaßen:

  • ein Treffen aller studierenden Mütter und Väter an der TU um eine Kinderbetreuung einzurichten. Dieses Treffen findet am 10.3. 1983 um 16:00 im Lesesaal der Mensa, Karlsplatz statt.
  • Vortrag und Diskussion über das Frauenkommunikationszentrum in der Währingerstraße am 22.3.1983 um 17:00 im Zeichensaal 7, weiters freuen sie sich über jede Technikstudentin, die mit ihnen Kontakt aufnimmt!
  • Ganz unten wird noch auf den 8. März und die Demo hingewiesen. Diesem Frauen Info-TU ist ein Würfelspiel angeheftet, welches Romeo und Julia heißt, und die Studiensituation eines Techniker_innenpärchens mit diversen Schikanen beschreibt. Anhang   

Als diese Aussendung geschrieben wurde, gab es schon Überlegungen, nicht nur eine Sachbearbeiterin im Sozialreferat, sondern ein eigenes Referat gründen zu wollen. Oder es war die Sachbearbeiterin nur eine vorübergehende Lösung, da die Einrichtung eines Referates einer Änderung des Hochschülerschaftsgesetztes bedurfte und das vom Bundesministerium für Wissenschaft, Unterricht und Kunst (wie es damals noch hieß) genehmigt werden musste.