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Zufall oder Quantenmechanik

Zeit seines Lebens konnte und wollte sich Albert Einstein nicht mit der zentralen Rolle des Zufalls in der Quantenmechanik abfinden ("Gott würfelt nicht"). In seiner berühmten Arbeit über das nach ihm und seinen Mitarbeitern Boris Podolsky und Nathan Rosen benannte EPR-Paradoxon entwickelte er demzufolge das Konzept der verborgenen Variablen, um die Idee einer klassisch deterministischen Welt aufrecht erhalten zu können.

Aber zwei, in den 1960er Jahren einerseits von John Bell sowie andererseits von Simon Kochen und Ernst Specker formulierte Theoreme, lieferten den theoretischen Unterbau dafür, dass bestimmte quantenphysikalische Vorgänge weder mit lokalen verborgenen Variablen noch mit so genannten nicht-zusammenhängenden verborgenen Variablen in Einklang zu bringen sind und damit eine klassische "realistische" Beschreibung der Welt unmöglich ist.

Während das Theorem von John Bell mittlerweile in einer Vielzahl von Experimenten bestätigt werden konnte und die Grundlage der modernen Quantenkommunikation bildet, schien das Kochen-Specker Theorem lange Zeit nicht experimentell überprüfbar, da es in seiner ursprünglichen Form unendliche genaue Messungen erfordert hätte.

Seit es aber durch die Einführung statistischer Größen in den letzten Jahren in Richtung einer Ungleichung umformuliert werden konnte, war plötzlich auch eine experimentelle Verifizierung im Bereich des Machbaren. Genau diese Verifizierung des Kochen-Specker Theorems ist nun einem Team um Yuji Hasegawa vom Atominstitut der Technischen Universität Wien in einem spektakulären, in der Top-Zeitschrift Physical Review Letters (PRL 97, 23401, 2006) beschriebenen Experiment gelungen.

Ohne hier auf Details eingehen zu können, sei nur angeführt, dass es sich dabei um die Verschränkung von zwei Eigenschaften einzelner Teilchen handelt, nämlich dem Weg von Neutronen beim Durchgang durch ein so genanntes Neutronen-Interferometer und ihrem Spin (d.h. ihrem Eigendrehimpuls). Zwar sind beide Messgrößen im Sinne der Heisenberg’schen Unschärfebeziehungen voll kompatibel und sollten sich daher nicht gegenseitig beeinflussen können. Dennoch - wie vom Kochen-Specker Theorem vorhergesagt - sollten so starke quantenphysikalische Korrelationen (contextuality) zwischen ihnen bestehen, dass die Messung der einen Größe das Ergebnis der Messung der anderen Größe beeinflusst, und zwar unabhängig davon, in welcher Reihenfolge die beiden Messungen durchgeführt werden.

Ein mit klassischer Intuition und Kausalität nicht erklärbares und dementsprechend verblüffendes Phänomen. Dieses spektakuläre Experiment, von dem übrigens jüngst auch die renommierte Zeitschrift Nature  berichtet hat (Nature 445, Feb. 2007, p. 723), ist ein weiterer Beleg dafür, dass österreichsche Physiker auf dem Gebiet der Quantenphysik tatsächlich eine weltweite Spitzenstellung einnehmen.