News articles

Professor Dr. Friedrich Moser (1926-2023)

Ein Nachruf

Portrait Friedrich Moser

© Fabian Dembski

Prof. Friedrich Moser ist am Samstag, 5. August 2023 im 97. Lebensjahr verstorben.

Wir werden ihn als liebenswürdigen Menschen, geistreichen Forscher und engagierten akademischen Lehrer –  für einige Doktorvater –, als stets konstruktiven Dialogpartner und vor allem auch Künstler, für den Zeichnen und Malen – als Methoden, das Wesentliche im Raum zu erkennen – und gleichermaßen das Musizieren – ob im Orchester oder als Hauskonzert in seiner Wiener und Grazer Wohnung – bis ins höchste Alter lebenswichtig waren, in besonderer Erinnerung und Wertschätzung behalten.

Friedrich Moser war Universalist: Architekt, Raumplaner, Stadtgestalter, Maler und Musiker. Er wurde 1926 in Spittal an der Drau in Kärnten geboren. Nach seinem Studium der Architektur an der Technischen Universität Graz promovierte er an der Technischen Universität Wien (beide damals „Technische Hochschulen“). Bis 1974 war er Leiter der Stadtplanungsabteilung in Graz und wurde im selben Jahr an das neu gegründete Institut für Örtliche Raumplanung der TU Wien berufen, an welchem er 22 Jahre wirkte. In dieser Zeit war er Dekan der Fakultät für Architektur und Raumplanung (1981-1985) und – zum 175-jährigen Jubiläum – Rektor der 1815 gegründeten Technischen Universität Wien (1989-1991). Auch als Emeritus war er in der akademischen Lehre aktiv, in bester Erinnerung bleiben die Exkursionen nach Istrien mit dem Fokus „Zeichnen und Malen“, sodann „Raumwahrnehmung und Darstellung“.

Seine Forschungsschwerpunkte umfassten Stadtplanung und Stadtgestaltung, Visualisierung und digitale Methoden zur Veranschaulichung raumbezogener Lösungsansätze für konkrete Probleme im realen Raum. Mit dem Tag seiner Berufung war er Raumplaner. „Örtliche Raumplanung“ war seine „venia docendi“ und gleichzeitig der Gründungsname des vormaligen Institutes für Örtliche Raumplanung („ifoer“ – heute Forschungsbereich Örtliche Raumplanung im Institut für Raumplanung, TU Wien). Auf der gebietskörperschaftlichen Ebene „Gemeinde“ würde alles „Gestalt annehmen“, Gelungenes wie Versäumnisse in Planungsprozessen würden sichtbar und greifbar. Die „Bewusstseinsbildung“ – gemeinsam mit allen am Planungsprozess zu Beteiligenden – sei wesentlich für das Gelingen. Der Dialog mit Bürger*innen und Kolleg*innen sei dabei als Methode unverzichtbar, die Aktivierung des kreativen, konstruktiven und gestalterischen Potenzials der Schlüssel zur Gestaltung der Räume und die Veranschaulichung raumbezogener Vorstellung mit allen analogen und digitalen Methoden bedeutsam.

Seine künstlerische Ausbildung gestaltete er als Autodidakt mit vielfältigen Anregungen durch die Professoren Kurt Weber, Peter Richard Oberhuber und Herbert Boeckl. Er war Mitglied des Steiermärkischen Kunstvereins Werkbund. Die künstlerischen Arbeiten entstanden mittels graphischer Techniken, als Aquarell- und Ölmalerei, und umfassen weiters Entwürfe und die Realisierung von Bleiglasfenstern in Kirchen und Einsegnungshallen in der Steiermark sowie computergraphische Arbeiten. Die umgesetzten Bauwerke sind in den Architekturpublikationen von Friedrich Achleitner (Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert) enthalten. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland (Deutschland, Spanien, Albanien, Holland und Ungarn) belegen das bildende künstlerische Schaffen. Die letzte große Wiener Ausstellung fand anlässlich seines 90. Geburtstages statt. Es folgten noch Ausstellungen, sogar während der Covid19-Pandemie, in Graz.

„Ad multos annos“ stand vielfach am Ende akademischer Feiern, nun ist daraus die Sehnsucht nach einem dauerhaften Leben in einer friedlichen und glücklichen Welt geworden.

Lieber Friedrich, Du hast den Raum gestaltet und vor allem die Menschen, die Dich kennenlernen durften, geprägt. Wir werden Dich vermissen und Zeit unseres Lebens nie vergessen.

 

 

„Mein künstlerischer Weg führt von einer abstrakten Gegenständlichkeit zur reinen Abstraktion.

Bilder entstehen als Wechselwirkung zwischen aktueller Wahrnehmung und dem Vorstellungsbild des mentalen Speichers unseres Gehirns. Sie sind immer interaktiv, immer Ergebnisse eines Dialogs zwischen Innenwelt (Erkenntnis) und Außenwelt (Wirklichkeit).

Im Dialog zwischen Betrachter und Gegenstand werden wesentliche Raumelemente bewusst gemacht, sie treten hervor und werden zu einer neuen Gestalt zusammengeordnet und anschaulich gemacht.

Anschaulichkeit bedeutet aber nicht bloße Abbildung der gegenständlichen Welt, sondern vor allem KULTIVIERUNG DER RÄUMLICHEN WAHRNEHMUNG.

Spuren verdichten sich, Vielfalt wird zu einem Konstrukt des Wesentlichen.“

(Friedrich Moser „GESEHEN“, Österreichischer Kunst und Kulturverlag 2001)

 

Auszeichnungen

 

Publikationen (Auswahl)

  • 1988: Wohnbau im Ortsbild: regionsspezifische Verdichtungsformen zwischen Tradition und Transformation, Wien, Picus-Verlag 1988, ISBN 978-3-85452-108-2
  • 1996: Ephesos: Computervisualisierung antiken Wohnens, Wien, Österreichischer Kunst- und Kulturverlag 1996, ISBN 978-3-85437-121-2
  • 2001: Gesehen: Aquarelle – Ölbilder – Computerversionen 1973 bis 2001, Wien, Österreichischer Kunst- und Kulturverlag 2001, ISBN 978-3-85437-172-4

 

Bildrechte: Forschungsbereich Örtliche Raumplanung

Portrait Friedrich Moser
Kirche Wagna

Glasfenster der Kirche Wagna

Zeichnen und Malen in Istrien

Zeichnen und Malen in Istrien [2003]

Zeichnen und Malen in Istrien

Zeichnen und Malen in Istrien [2003]

Friedrich Moser / Istrien

Zeichnen und Malen in Istrien[2006]

Zeichnen und Malen in Istrien

Zeichnen und Malen in Istrien [2006]

Friedrich Moser / Istrien

Zeichnen und Malen in Istrien [2008]

Friedrich Moser / Istrien

Zeichnen und Malen in Istrien [2008]

Friedrich Moser / Istrien

Zeichnen und Malen in Istrien [2010]

Friedrich Moser / Istrien

Zeichnen und Malen in Istrien [2010]

Friedrich Moser / Istrien

Zeichnen und Malen in Istrien [2010]

Zeichnen und Malen in Istrien

Zeichnen und Malen in Istrien [2010]

Verleihung der Prechtl-Medaille [2006]

Verleihung der Prechtl-Medaille [2006]

Friedrich Moser - Würdigungspreis

Moser-Würdigungspreis [2019]

Persönliche Worte von Peter Skalicky (1991 bis 2011 Rektor der Technischen Universität Wien)

Abschied von Friedrich Moser

 

„Kunst ist lebensnotwendig!“ war das Erste, was der Rektor Friedrich Moser gleich klargestellt hat, als wir uns kennenlernten. Ich war damals gerade Prorektor geworden, also der designierte Nachfolger - so etwas gab es damals noch.

Friedrich hat mir in diesem Sinne vielleicht noch nicht ganz getraut und mich zunächst möglicherweise für einen argen Technokraten gehalten. Ich habe ihm jedoch begeistert zugestimmt und wir sind uns dadurch sehr nahegekommen, ein Glücksfall für ein gutes Team.

Der Abschied, der uns jetzt so schwerfällt, ist nur ein diesseitiger. Friedrich wird uns ja immer präsent bleiben, wenn wir an ihn denken - im Rückblick an einen wunderbaren Freund und außergewöhnlichen Menschen.

Es ist klar, dass man eine Persönlichkeit wie Friedrich Moser nicht in biografischen Hauptdaten oder Jahreszahlen beschreiben kann, sondern durch die nachhaltigen Spuren, die er gesetzt hat.

Spuren muss man verdichten, hat er auch einmal gesagt.

Friedrich war es, der mir nachdrücklich beigebracht hat, dass eine Universität auch eine „Wärmestube für Kreative“ zu sein hat, und meinem vorsichtigen Einwand “nicht nur aber auch” hat er nicht widersprochen. Wir haben uns dann auf einen „Durchlauferhitzer für Kreative“ geeinigt, vorausgesetzt es gibt auch Lehrer, oder besser Mentoren, die dies vermögen. Und die gibt es - so wie ihn, wie Friedrich, wie viele seiner Schüler bezeugen können. Es ist dies mit Sicherheit auch eine Kardinalstugend eines Hochschullehrers.

Er selbst bezeichnet seine künstlerische Ausbildung als Autodidakt mit vielfältigen Anregungen durch seine Freunde Kurt Weber, Peter Richard Oberhuber und Herbert Boeckl.

Es tut auch unserem heutigen Bildungs- und Ausbildungssystem gut, sich auf „Erziehungsideale“ zu besinnen, die versuchen, den Menschen, die Natur und die Technologie und die Kunst gemeinsam begreifbar zu machen und zu vermitteln.

Es bedarf einer Steigerung des Willens zur Kulturbetätigung - und diese Steigerung wird nicht nur aus dem Verstand und dem Wissen kommen. Es bedarf auch der Erziehung des Empfindens und der Gefühle. Das ist an einer Technischen Hochschule gar nicht so leicht.

Friedrich war der Erste in einer ganzen Generation von Rektoren, der auch so etwas wie die wiedererwachende Sehnsucht nach umfassender Bildung erkannt hat, deren Kanon uns ja genau genommen abhandengekommen ist.

Friedrich hat auch ein sehr modernes, aber nicht postmodernes Künstlerbild gepflegt. Das eines Universalisten, der in seiner Kreativität an kein bestimmtes Medium gebunden ist, also nicht mehr bloß Maler, Bildhauer, Architekt oder Medienkünstler - wie in der Renaissance.

Welcher Rektor hat zu seiner Inauguration selbst seine Geige in die Hand genommen und, mit dem Doppelkonzert von Bach, ein musikalisches Ereignis daraus gemacht?

Und niemand hat seine Vorstellungen so nachhaltig in ein Jubiläum wie das der 175 Jahr Feier unserer Schule eingebracht, mit einer nur durch ihn erreichbaren Auftragskomposition. CHAORD - „Vom Chaos zur Ordnung“ heißt das Stück, fast so etwas wie eine umgekehrte Abschiedssymphonie, wunderbar aufgeführt vom Orchester der TU Wien, in dem Friedrich Moser auch selbst mitgespielt hat.

„Karl Popper habe ich überrundet“, hat er im Interview gesagt. „Popper hat die Drei-Welten-Lehre, ich habe die vierte Weltentheorie eingeführt: Meine Welt ist die Dynamisierung der drei Welten. Die Veränderung ist für mich die Weiterführung von Poppers Welten.“

Ein theoretischer Physiker kann da bloß staunen und letztlich eifersüchtig werden. Das höchste Ziel der Physik ist es ja, eine möglichst einfache, schöne und symmetrische Beschreibung der Welt zu erlangen, wenn es geht. Dies ist aber leider der umgekehrte Vorgang wie derjenige der Gestaltung der Welt. Wir können die Welt nicht in eine Symmetrie zwingen, bloß weil uns das gefallen würde - wir können die Welt bloß abbilden.

Wo findet ein Mensch seine „wirkliche“ Heimat, wenn er zwar gebürtiger Kärntner ist, seine effektive Lebenszeit aber als Wahl-Steirer und Wahl-Wiener verbracht hat? Wer Friedrich Moser kennt, darf allerdings nicht daran zweifeln, dass ihm ein „Steirisches Bildnis“ gebührt, weil er die Wurzeln seiner kulturellen Leistungen in diesem Land hat. Das müssen auch die eingebildeten Wiener einsehen.

Friedrich und seine Frau Helga haben aber in Wien mit ihrer Freundschaft, ihrer Gastfreundschaft und der liebevollen Mitgestaltung des Wiener Lebens unvergessliche Begegnungen, musikalische Abende und Familienfeste geschaffen, die uns allen, die sie gekannt haben, unendlich fehlen.

Die schönen Bilder, die wir von ihm haben, hängen bei uns in Paris und in Wien – wir lieben sie sehr.

Unsere Zuneigung und Freundschaft gelten natürlich auch im besonderen Andrea und Michael. Wenn es uns trotz allem gelingt, etwas von unserer Zuversicht zu retten, dann bleibt uns vielleicht auch noch Kraft für die Zukunft, die wir ja auch wahrlich brauchen.

Lieber Friedrich, Du hast uns ein großes Geschenk gemacht durch Deine wahrlich gestaltende Mitwirkung an unserer Schule als Professor, als Dekan, als Rektor, Künstler und persönlich vor allem als Freund und Mentor für viele von uns. Wir werden für immer ein liebevolles Andenken an unsere Freundschaft im Herzen bewahren.

Peter und Claude Skalicky