Dissertationsvorhaben von Oliver Peck

Die Nachhaltigkeitstransformation im Mobilitätssektor erfordert angesichts von Klimakrise und knappen Energieressourcen Maßnahmen unterschiedlicher Art: neben der Antriebs- bzw Technologiewende sind Verkehrsvermeidung (durch Push-Maßnahmen wie Fahrverbote) und Verkehrsverlagerung („Modal Shift“) im Personenverkehr zentrale Bestandteile. Dazu können als Pull-Maßnahmen in Ergänzung zum Ausbau des „klassischen“ öffentlichen Verkehrs sog. „neue“ bzw „alternative“ Mobilitätsdienstleistungen, wie Fahrzeug-Sharing, Fahrgemeinschaften und Bedarfsverkehre einen Beitrag leisten. Neben der Förderung neuer Technologien und der Schaffung klarer rechtlicher Rahmenbedingungen dafür muss der Staat daher im Mobilitätssektor eine aktive Rolle einnehmen, klimaschädlichen Verkehr beschränken und die Verlagerung auf nachhaltigere Mobilitätsformen fördern. Voraussetzung für erfolgreiche Rolle alternativer Mobilitätsdienstleistungen sind zunächst adäquate ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen. Andererseits ist aber angesichts nötiger Einschränkungen im Individualverkehr zur Deckung von Mobilitätsbedürfnissen als Teil staatlicher Daseinsvorsorge auch planendes und steuerndes staatliches Handeln in Bezug auf die Verkehrsverlagerung erforderlich, etwa durch Ausbau des ÖPNV unter Einbeziehung alternativer Angebotsformen (zB Bedarfsverkehre) und die Förderung der Integration alternativer Mobilitätsdienstleistungen in andere Sektoren, wie Wohnen und Betriebe. Dies bedarf ebenso entsprechender rechtlicher Rahmenbedingungen und geeigneter Instrumente der staatlichen Steuerung, deren Status quo analysiert und sodann Problemfelder und Handlungsbedarfe aufgezeigt werden sollen.

Daraus ergeben sich folgende zentrale Themenfelder des Dissertationsvorhabens, für welche jeweils relevante gegenwärtige rechtliche Rahmenbedingungen systematisch analysiert werden und rechtliche Herausforderungen und allfälliger Handlungsbedarf identifiziert werden soll:

I. Ordnungsrechtliche Fragestellungen

Die gegenwärtigen (verkehrs-)gewerberechtlichen Regelungen für Personenbeförderungs- und Mobilitätsdienstleistungen ermöglichen vielfach keine klare Einordnung alternativer Mobilitätsdienstleistungen. Zunächst erfolgt daher ein Überblick über die Stellung alternativer Mobilitätsdienstleistungen im gegenwärtigen verwaltungsrechtlichen Rahmen in Bezug auf der Marktzugangs- und Ausübungsvorschriften, um sodann Handlungsbedarf zu identifizieren für eine konsistente Regulierung.

Ein weiterer Aspekt ist die straßenverkehrsrechtliche Regelung der Teilnahme alternativer Mobilitätsdienste im Verkehr, wobei insbesondere Fragen der Parkraumnutzung, der Bevorrangung von Straßennutzern sowie in Bezug auf erforderliche Infrastruktur wesentlich für die Förderung alternativer Mobilitätsdienstleistungen sind und daher einer näheren Betrachtung unterzogen werden.

II. Alternative Mobilitätsangebote als Teil des ÖPNV

Im öffentlichen Personenverkehr (ÖPNV) tritt der Staat traditionell als Garant für die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen auf, die ansonsten aus rein marktwirtschaftlichen Erwägungen nicht angeboten würden, und definiert in Ausübung ihrer „Regulierungs- und Gewährleistungsverantwortung“ Angebot und Qualität der von (privaten) Anbieter:innen erbrachten Verkehrsdienste. Das derzeitige im ÖPNRV-G grundgelegte System der Planung, Organisation und Finanzierung des öffentlichen Verkehrs gilt jedoch im Wesentlichen nur für den konventionellen öffentlichen Personenverkehr. Damit alternative Mobilitätsdienste (wie zB Bedarfsverkehre) im Rahmen der Daseinsvorsorge als sinnvolle Ergänzung zum ÖPNV dienen können, sollen neben Fragen des Marktzuganges daher  insbesondere die Frage untersucht werden, inwiefern bereits eine Integration in das System des ÖPNV möglich ist, beim wem die Zuständigkeiten für Bestellung und Finanzierung liegen und unter welchen (vergabe-)rechtlichen Voraussetzungen diese erfolgen kann.

III. Alternative Mobilitätsangebote und Wohnen

Eine integrative Umsetzung alternativer Mobilitätsdienstleistungen im Wohnumfeld (zB Sharing-Angebote in Wohnsiedlungen, Plattformen für Fahrgemeinschaften, Bereitstellung von ÖPNV-Tickets etc) kann durch Verringerung des PKW-Besitzes und Flächenverbrauchs einen wesentlichen Beitrag zur Mobilitätswende leisten. Der öffentlich-rechtliche Rahmen vermag diese Thematik bislang nur sehr eingeschränkt zu erfassen. Der Fokus der raumordnungs- und baurechtlichen Regelungen liegt bisher auf der verkehrsinfrastrukturellen Erschließung und Stellplatzverpflichtungen. Da es an einer passenden öffentlich-rechtlichen Grundlage für eine verbindliche Integration alternativer Mobilitätsangebote mangelt, wird bisher insbesondere auf privatrechtliche Instrumente wie städtebauliche Verträge bzw. Mobilitätsverträge zurückgegriffen. Untersucht werden daher rechtliche Instrumente, um die Integration von alternativen Mobilitätsdienstleistungen in den Wohnbau – sowohl im Neubau als auch im Bestand – voranzutreiben.  Von besonderer Bedeutung sind dabei die Regelungen zur Stellplatzverpflichtung sowie Spielräume der Verwaltung zur Abweichung davon zugunsten alternativer Mobilitätsangebote, sowie das in diesem Kontext eingesetzte zivilrechtliche Instrument städtebaulicher Verträge bzw. Mobilitätsverträge. Außerdem werden alternative Ansätze wie Mobilitätsfonds, Mobilitätsabgaben etc rechtlich eingeordnet.

IV. Betriebliches Mobilitätsmanagement

Da ein Großteil der derzeit zurückgelegten Pkw-Wege auf Arbeits- und Dienstwege entfällt, leistet betriebliches Mobilitätsmanagement mit dem Ziel im Pendel- und Berufsverkehr den MIV-Anteil zu reduzieren und den Anteil des ÖPNV, alternativer Mobilitätsdienste bzw. aktiver Mobilität zu erhöhen ebenso einen Beitrag zur Nachhaltigkeitswende im Mobilitätssektor. In Bezug auf die Etablierung alternativer Mobilitätsangebote (zB Fahrgemeinschaften) im Rahmen des betrieblichen Mobilitätsmanagements sind einerseits die arbeitsrechtlichen sowie haftungs- und (sozial-) versicherungsrechtliche Aspekte zu analysieren, davon abgesehen aber insbesondere die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen von Bedeutung, welche für alternative Mobilitätsdienste im betrieblichen Kontext bislang nur wenige Anreize enthalten.