Der zivilrechtliche Vertrag als Planungsinstrument für klimaneutrale Städte

Habilitationsvorhaben von Arzu Sedef

Die staatliche Planung ist eine hoheitliche Aufgabe, die in der Regel durch Hoheitsakte, wie Gesetze, Verordnungen und Bescheide, umzusetzen ist. Sie dient der Durchsetzung von Allgemeininteressen und ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen. In der Praxis setzt der Staat immer häufiger den zivilrechtlichen Vertrag ein, um die im öffentlichen Interesse liegenden Planungsziele zu erreichen. Im Unterschied zu den hoheitlichen Instrumenten, ist der zivilrechtliche Vertrag dem Privatrecht zuzuordnen und bezweckt grundsätzlich den Ausgleich privater Interessen von einzelnen Personen. Verträge, die der Umsetzung staatlicher Planungsziele dienen, bewegen sich daher an der „Schnittstelle“ zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht. Während die Vertragsbeziehung zwischen den Vertragspartnern dem Privatrecht unterliegt, haben die mit dem zivilrechtlichen Vertrag verfolgten Ziele dem öffentlichen Planungsrecht zu entsprechen. Da diese Art von Verträgen – vor allem im Klimaschutzkontext – bisher nur punktuell juristisch analysiert wurden, soll im Rahmen der Habilitation untersucht werden, welche Potenziale und Risiken der zivilrechtliche Vertrag als Planungsinstrument für die Erreichung des Ziels „klimaneutralen Stadt“ bietet. Beispiele für den Einsatz solcher Verträge und damit verbundene Fragen sind:  

Eine klimaschonende Raumplanung könnte dazu beitragen, dass Städte in naher Zukunft klimaneutral werden. Das Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Baugesetzbuch etwa, als zentrale Gesetzesquelle für die Städteplanung in Wien, führt den Klimaschutz mittlerweile explizit als eines der zu beachtenden Planungsziele an. Zur Unterstützung der Verwirklichung der Planungsziele – und damit auch des Klimaschutzes – darf die Stadt Wien zivilrechtliche Vereinbarungen mit Privaten abschließen. Untersucht wird, anhand des Beispiels der Quartierlösungen, ob städtebauliche Verträge ein geeignetes Instrument sind, um Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität durchzusetzen.

Um eine klimaneutrale Energieversorgung in Städten bewerkstelligen zu können, ist ua der Ausbau dezentraler Energiesysteme notwendig. Eine Möglichkeit ist die Anbringung von Photovoltaikanlagen auf Dachflächen, mit deren Hilfe Gebäudeeigentümer_innen Strom selbst erzeugen und den Eigenbedarf übersteigende Mengen regional vermarkten können (sog Prosumer_innen). Die Abwicklung könnte über Blockchain-basierte „Smart Contracts“ erfolgen. Diese ermöglichen einen automatisierten peer-to-peer Handel der überschüssigen Kapazitäten zwischen Prosumer_innen und Kund_innen. Da es für Smart Contracts keine speziellen Regelungen gibt, gilt es zu prüfen, inwieweit das allgemeine Vertragsrecht (grundlegende) Fragen beim Einsatz von Smart Contracts in diesem Bereich beantworten kann (zB Vertragsabschluss, Leistungsstörungen usw). Untersucht werden sollen auch die flankierenden datenschutzrechtlichen Themen, die sich vor allem durch den Einsatz der Blockchain-Technologie ergeben.

Nachhaltige Mobilitätslösungen, wie etwa Mobility-as-a-Service-Plattformen, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle in der Klimawende. Damit MaaS-Plattformen entstehen können, ist der offene Zugang zu verkehrsrelevanten Daten notwendig. Ausgangspunkt ist der auf EU-Ebene geschaffene Rechtsrahmen zur Einführung von intelligenten Verkehrssystemen („IVS“) im Straßenverkehr, der ua die Grundlage für die Bereitstellung von EU-weiten multimodalen Reiseinformationsdiensten (wie zB MaaS-Plattformen) und den entsprechenden Datenaustausch schafft. Während bestimmte Reise- und Verkehrsdaten über einen „nationalen Zugangspunkt“ zugänglich zu machen sind, sollen die Bedingungen für die Nutzung dieser Daten vertraglich geregelt werden. Welchen Anforderungen eine solche Vereinbarung genügen soll, bleibt – bis auf einige wenige Vorgaben – offen und soll einer näheren rechtlichen Analyse unterzogen werden.

Um die grüne Wende in Städten zu schaffen, muss die Stadtverwaltung eine entsprechende Energie- und Klimaplanung vornehmen. Für eine solche Planung benötigt sie in vielen Bereichen aktuelle und vollständige Daten. Oftmals werden diese Daten nicht von der öffentlichen Hand selbst, sondern nur von privaten Unternehmen gesammelt. So etwa die Energieverbrauchsdaten privater Haushalte: Umfassende Smart-Meter-Daten stehen nur dem Energieversorgungsunternehmen zur Verfügung. Es stellt sich daher die Frage, wie die Stadtverwaltung einen Zugang zu diesen Daten sicherstellen kann. Hier soll in erster Linie untersucht werden, ob ein Datenzugang durch entsprechende vertragliche Regelungen bewerkstelligt werden kann. Auch die Frage des „Dateneigentums“ und Datenschutzes spielen hier eine ausschlaggebende Rolle und soll daher ebenfalls einer rechtlichen Analyse unterzogen werden.    

Vor allem im Mobilitäts-, Energie- und Abfallbereich können Innovationen einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten. Staatliche Institutionen unterstützen das Entstehen solcher Innovationen in erster Linie über Fördergelder. Die Beschaffung von Innovationen, insb. im Rahmen einer Innovationspartnerschaft, sind eher selten. Diese Art der innovativen Beschaffung könnte aber dazu beitragen, dass konkrete Problemstellungen einer marktreifen Lösung zugeführt werden. Da die Innovationspartnerschaft aber ein relativ neues und von den bisherigen Vergabeverfahren stark abweichendes Beschaffungsinstrument ist, sind noch viele Fragen offen. Vor allem im Bereich der Immaterialgüterrechte ist unklar, wie die (Nutzungs-)Rechte an der im Rahmen dieser Partnerschaft entstandenen Innovation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer aufgeteilt werden dürfen. Dies soll im Rahmen dieses Beitrags untersucht.    

Ansprechperson

Photo - Arzu Sedef

Univ.Ass. Dr.iur.

Arzu Sedef

LL.M. (EULISP)